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Die drei größten Fraktionen des Europaparlaments signalisierten gestern, Dienstag, grundsätzliche Ablehnung der geplanten "Softwarepatente-Richtlinie" - wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Die Befürworter des vorliegenden Papiers fürchten eine Mehrheit für Abänderungen. Die Gegner wähnen den erforderlichen Stimmüberhang eher für den kompletten Stopp als für ihre Änderungsvorschläge.
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Beispiellos emotional geführte Auseinandersetzungen und umfangreiche Lobbying-Kampagnen großer Technologie-Konzerne dürften heute, Mittwoch, im EU-Parlament in einer schlichten Ablehnung der geplanten Richtlinie für die Patentierbarkeit von computerimplementierten Erfindungen (CII) versanden. Damit wäre das Thema vom Tisch. Die Europäische Kommission werde in absehbarer Zeit keinen Alternativvorschlag unterbreiten, hatte Kommissar Joaquin Almunia erklärt. Allgemein wurde das vor fast zweieinhalb Jahren von seiner Behörde vorgeschlagene Paket unter dem - missverständlichen, wie die Konzerne betonen - Schlagwort Softwarepatente bekannt.
Streit um Definition
Breiter Konsens hatte nämlich seit jeher darüber geherrscht, dass reine Software "an sich" nicht patentierbar sein dürfe. An der Definition der computerimplementierten Erfindung entzündete sich jedoch ein unüberbrückbar bleibender Streit. Eine präzise Abgrenzung zwischen Technik - die patentierbar ist und bleiben soll - und Software, die dem Urheberrecht unterliegt, sei im vorliegenden Entwurf nicht gegeben, beharrten Sozialisten, Grüne und auch Teile der EVP sowie der Liberalen. Zu ungenaue Formulierungen ließen die Ausweitung der Patentierung etwa auf simple Programmroutinen jedoch im Ermessensspielraum der Richter, lautete die Kritik.
Das führe dazu, dass der Wettbewerb demnächst nicht auf dem Markt, sondern eben vor Gericht stattfinden werde. Kleinunternehmen seien dazu gezwungen, aufwändige Patentrecherchen anzustellen und teure Patentanwälte anzuheuern. Neben tausenden Euro Zusatzkosten sei die Erfindung nach den jahrelangen Prozessen bereits überholt. Das führe zu einer Blockade bei den Innovationen. Um nichts weniger als einen "symbolischen Kampf um die Freiheit" gehe es, meinte die Grüne Abgeordnete Eva Lichtenberger zu dem Konflikt zwischen den Konzernen und der Open-Source-Gemeinde der freien Programmierer sowie den meisten Klein- und Mittelbetrieben (KMUs).
Dagegen wurden etwa der mächtige Industrieverband EICTA und die Business Software Alliance BSA nicht müde, die positiven Auswirkungen des zur Diskussion stehenden gemeinsamen Standpunktes der EU-Regierungen anzupreisen. Nur durch Patente könnten die Erfindungen der KMUs geschützt werden, lautet die Argumentation, der Abgeordnete von EVP und Liberalen bisher folgten. Sowohl auf der Mitgliederliste von EICTA als auch von BSA reichen einander aber in erster Linie die Giganten der Branche die Hände: So gehören IBM, Microsoft, Apple, Adobe, Intel und SAP zu beiden Verbänden. EICTA beherbergt darüber hinaus den europäischen Konzern Siemens.
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