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Niederlage in den Niederlanden

Von Thomas Seifert aus Kiew

Politik
Mit den blau-gelben Nationalfarben hatten viele Ukrainer in den Niederlanden für ein "Ja" geworben".
© reu

Für die Ukraine war die "Nein"-Kampagne zum Referendum ein Teil von Putins Hybrid-Krieg gegen Europa.


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Kiew. Haben die Wähler in den Niederlanden mit ihrer Ablehnung des EU-Assoziierungsabkommens mit der Ukraine den Sack geschlagen, aber den Esel gemeint? Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin ist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" am Rande des von OpenUkraine organisierten Sicherheitsforums in Kiew davon überzeugt: "Im Referendum vom 6. April ging es nicht wirklich um das Assoziierungsabkommen oder um die Ukraine. Es ging im Referendum um die Haltung vieler niederländischer Bürger gegenüber der EU", sagt Klimkin. Und der Außenminister hält auch eine Warnung bereit: "Russland führt einen Hybrid-Krieg gegen die Europäische Union." Moskau wolle auf "gezielte Art und Weise die politische Landschaft in Europa verändern, indem Russland weit rechts und links stehende Parteien unterstützt und so die traditionelle - in der Mitte stehende - Wählerschaft in Bedrängnis bringt."

Der junge ukrainische Medienexperte Oleksandr Guzenko stand für die Ukraine in den Niederlanden an vorderster Front in dem, was Klimkin als Moskaus Hybrid-Krieg beschreibt. Das Ukraine Crisis Media Center hat den jungen Mann nach Holland geschickt, "um dort dafür zu sorgen, dass die Niederländer nicht ein falsches Image von der Ukraine vermittelt bekommen und die Ukrainer nicht ein falsches Bild von Holland", erzählt Guzenko im Hipster-Hangout "Kredens Kafe" am Leo-Tolstoi-Platz in Kiew.

Guzenko war auf Demonstrationen, Diskussionsveranstaltungen, postete auf Social Media, schickte E-Mails an Journalisten. Doch letztlich nützte alles nichts: Am Ende votierten am 6. April 61 Prozent gegen das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine. Die konkreten Folgen des Referendums halten sich freilich vorerst in Grenzen, denn es hat nur beratenden und nicht bindenden Charakter, zudem können die Niederländer nur über jenen Teil des Referendums entscheiden, der direkt die Niederlande betrifft.

Das Ergebnis des Referendums ist somit vor allem als weiterer Etappensieg der Euroskeptiker zu werten, die für ein "Nee" geworben haben. Denn für die Europa-Gegner war die Ukraine nur ein Kollateralschaden beim Ziel, Europa zu schwächen. Für Moskau war das Ergebnis des Referendums allerdings ein Doppelsieg: die Union geschwächt, die Ukraine erniedrigt.

Etappensieg der Euroskeptiker

Doch wie hat sich das Ringen zwischen "Voor" - "dafür" - und "Tegen" - "dagegen" - abgespielt? Es habe kleine und große Kommunikationsherausforderungen gegeben, sagt Guzenko. Die kleinen: Guzenko erzählt von der "Hühnergeschichte", die ihn an die Chlorhuhn-Storys im Zusammenhang mit der Ablehnung des Transatlantischen Handelsabkommens TTIP erinnert. Mit dem Assoziierungsabkommen würde minderwertiges ukrainisches Hühnerfleisch auf den EU-Markt schwappen, das unter unwürdigen Bedingungen produziert wird, hatte die niederländische Tierrechte-Partei "Partij voor de Dieren" kritisiert. Das Ukraine Crisis Media Center versuchte den Behauptungen entgegenzutreten: In den größten Hühnerfarmen des Landes komme die Ausstattung aus den Niederlanden, zudem würde das Abkommen die ukrainischen Standards auf EU-Niveau bringen.

Und die großen? Schon im Jänner ist ein Video aufgetaucht, das angeblich Mitglieder des ukrainischen Freiwilligen-Bataillons Azov zeigt. Diese drohen im Video den Niederlanden und verbrennen die niederländische Flagge. Die ukrainische Website "Stop Fake" konterte kurz nach Erscheinen des Videos mit Recherchen, aus denen hervorgehen soll, dass das Video klar gefälscht war. Schließlich meldete sich Azov-Kommandant Andriy Diachenko zu Wort, bestritt, dass Azov etwas mit dem Video zu tun hat, und nannte den Clip "ein Beispiel russischen Agitprops". Letztlich versinkt aber alles im Nebel des Krieges - im konkreten Fall des Info-Krieges.

Welche Lektion hat Guzenko aus der Niederlage in den Niederlanden gelernt? "Wir Ukrainer müssen unsere Hausaufgaben machen, wir brauchen eine stärkere internationale Präsenz. Wir brauchen kulturelle Diplomatie." Man dürfe aber die Rolle der Ukraine beim Referendum nicht überschätzen: Das "Nein"-Camp habe vor allem die niederländische Regierung schwächen und Neuwahlen herbeiführen wollen.

Für Außenminister Klimkin steht nicht erst nach der Abstimmung in den Niederlanden fest: "Man kann mit Russland nicht zum Business as usual zurückkehren. Russland befindet sich jetzt - was Demokratie und Menschenrechte betrifft - in einer anderen Realität." Die EU-Politik mit der Ukraine sollte auf Solidarität und Werten basieren. Das sei der einzige Weg, um Wladimir Putin Grenzen aufzuzeigen, sagt er zur "Wiener Zeitung".