Sozialistische Partei liegt in Umfragen Kopf an Kopf mit Rechtsliberalen.
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Amsterdam. Wenn die Niederländer bei der Parlamentswahl am 12. September die Demoskopen bestätigen, bleibt in der Zweiten Parlamentskammer kein Stein auf dem anderen. Nach einer am Mittwoch von der sozialdemokratischen Parteizeitung "Volkskrant" veröffentlichten Umfrage liegen die Sozialistische Partei (SP) von Emile Roemer und die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) von Regierungschef Mark Rutte in der Wählergunst Kopf an Kopf.
Beide Parteien würden demnach je 34 Mandate in der 150-köpfigen Zweiten Parlamentskammer erreichen. In manchen Umfragen liegt die SP sogar vor der VVD, die im derzeitigen Parlament mit 31 Sitzen mehr als doppelt so stark ist wie die SP, die bisher 15 Abgeordnete stellte.
Wer immer am Ende die Nase vorne hat, steht auf jeden Fall vor einer schwierigen Regierungsbildung. Insgesamt treten 21 Parteien zur Wahl an.
SP will Referendum über den Fiskalpakt
SP-Parteichef Emile Roemer, ein Lehrer aus Boxmeer in Nordbrabant, der außerhalb der Niederlande weitgehend unbekannt ist, hatte in der Vorwoche in einem Zeitungsinterview angekündigt, dass seine Partei eine Volksabstimmung zum Fiskalpakt über die Haushaltsdisziplin anstrebe. Die Übertragung weiterer Souveränitätsrechte an die EU sei nur mit Zustimmung der Bevölkerung möglich. Roemer will das Budgetdefizit, das 2013 bei rund 4,5 Prozent liegen dürfte, erst ab 2015 senken. Im SP-Parteiprogramm sind höhere staatliche Ausgaben vorgesehen, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Die Mitte-Rechts-Regierung vom Mark Rutte war im April am Streit über das Sparpaket gescheitert. Dieses hatte Kürzungen der öffentlichen Ausgaben um rund 14 Milliarden Euro vorgesehen, um das Budgetdefizit unter die Drei-Prozent-Marke zu drücken. Aus Protest gegen diese Pläne hatte die rechtspopulistische Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders der Regierung ihre Unterstützung entzogen.
Grünen droht Absturz nach Regierungsunterstützung
Mit Hilfe von drei kleineren Oppositionsparteien - den Grünen, der Christenunion und der linksliberalen Partei D66 - hatte Rutte dann doch noch eine Mehrheit für sein Sparprogramm zusammenbekommen. Wenn die Umfragen stimmen, werden die früheren Wähler der Grünen ihre Partei bei den Wahlen dafür empfindlich abstrafen. Sie dürften demnach sechs ihrer bisherigen zehn Mandate verlieren.
Als größter Verlierer dürfte aber Geert Wilders aus dem Wahlgang am 12. September hervorgehen. In Zeiten wirtschaftlicher Probleme haben seine antiislamischen Parolen und seine Polemiken gegen Einwanderer an Zugkraft verloren. Laut Prognosen wird seine Fraktion von 24 auf 14 Sitze schrumpfen und damit vom Platz 3 auf Platz 5 zurückfallen.
Schlechte Aussichten hat auch die sozialdemokratische Partei der Arbeit (PvdA) unter ihrem neuen Parteichef Diederik Samsom, die laut Umfragen neun ihrer bisher 30 Sitze einbüßen und auf den dritten Platz abrutschen wird. Ihr größter Gegner sind die Sozialisten von Emile Roemer, die kräftig in ihrem Wählerreservoir fischen werden.
Ähnlich negativ sind die Prognosen für die christdemokratische CDA, die von 2002 bis 2010 mit Jan Peter Balkenende den Regierungschef gestellt hatte. Nach ihrer vernichtenden Wahlniederlage von 2010, als sie 20 ihrer früheren 41 Sitze verlor, steht ihr auch diesmal wieder ein kräftiger Aderlass bevor. Sie soll nach den Voraussagen nur mehr auf 16 Sitze kommen und damit ganz knapp vor Geert Wilders PVV auf dem vierten Platz landen.
Der Wandel der politischen Landschaft der Niederlande, der mit dem Politeinstieg des Populisten Pim Fortuyn im Jahr 2001 seinen Anfang nahm, wird sich also auch nach den Parlamentswahlen vom 12. September fortsetzen. Während sich aber in der Vergangenheit gemäßigte Regierungen von Mitte-Rechts und Mitte-Links aus Sozialdemokraten, Christdemokraten und Liberalen abgelöst hatten, könnte bei einem SP-Wahlsieg ein völlig neuer Kurs eingeschlagen werden. Und der würde auch auf die europäische Entwicklung nicht unerhebliche Auswirkungen haben und die Gewichte verschieben.