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Zum 70er von Erwin Pröll.
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St. Pölten. 70 Jahre sind kein Alter. Das denkt sich nicht nur Erwin Pröll, der an diesem Heiligen Abend Geburtstag feiert. Und man kann dem niederöstereichischen Langzeitlandeshauptmann wie stets schwer widersprechen.
Donald Trump hat seinen 70er schon hinter sich, und der ist noch nicht einmal angelobt. Ähnliches gilt für unseren künftigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, nur dass er bei Amtsantritt schon 73 sein wird. Konrad Adenauer war 72, als er deutscher Kanzler wurde, und 85, als er ein letztes Mal gewählt wurde. Ronald Reagan wurde zwei Wochen vor dem 70er US-Präsident und mit 73 im Amt bestätigt. Papst Franziskus ist soeben 80 geworden, und Giorgio Napolitano gefiel es, bis in sein 90. Lebensjahr als Staatspräsident über die Geschicke Italiens zu wachen.
Über Niederösterreich zu wachen, das wäre für den Jubilar zu klein gegriffen. Und viel zu passiv. Prölls Befehl ist seinen Funktionären Wunsch. Widerspruch wird schon geduldet, aber nicht in den eigenen Reihen, und bei der Opposition sollte er tunlichst auf leisen Sohlen kommen. Niederösterreich "is a too small country to make good opposition", um einen Satz Peter Schröcksnadels (75!), Noch-immer-Präsident des Österreichischen Skiverbands, zu paraphrasieren. Wer sich daran nicht halten wollte, der musste weiterziehen. Niederösterreich ist nämlich auch zu klein für mehr als nur ein Alphatier.
Der Erfolg hat Pröll oft recht gegeben. Der am 24. Dezember 1946 in eine Weinbauernfamilie in Radlbrunn geborene promovierte Agrarökonom begann im Bauernbund und stieg mit jugendlichen 33 Jahren in die Landesregierung auf. Gleich drei Mal gelang es ihm, die absolute Mehrheit für seine ÖVP zu erobern. Dabei hatte er bei seinem ersten Antreten als Spitzenkandidat 1993 die ÖVP-Alleinherrschaft noch verloren; zehn Jahre später holte er sie mit 53,3 Prozent zurück und gab sie bis heute (2013: 50,8 Prozent) nicht mehr her. Heute ist er mit 24 Jahren und 2 Monaten dienstältester Landeshauptmann.
Viel Kultur, viele Kreisverkehre, viele Schulden
Das widerfährt einem nicht einfach so, das muss man schon wollen. Und Pröll wollte. Aus der Landes-VP hat er in eine der am besten organisierten Politik-Maschinerien umgemodelt. Er hat verstanden, dass ein Landeshauptmann sich nicht auf Politik beschränken darf, sondern das Leben in seiner prallen Fülle verkörpern soll. Zu diesem Zweck hat er das Land mit einem dichten Netzwerk von Hoch- und Volkskulturinitiativen überzogen. Da gibt es nicht nur Leuchtturmprojekte wie Grafenegg, sondern unzählige kleinere und größere Festivals.
Die Künstler lieben Pröll dafür. Und das ist kein kleines Wunder, denn gemeinhin tickt dieses Volk links und meidet Mitte-rechts-Machtmenschen vom Schlage Prölls wie sonst der Teufel das Weihwasser. Bei ihm machen sie fast alle eine Ausnahme.
Mächtig ist Pröll auch in der Bundespolitik. Er hat Parteichefs gemacht und gestürzt. Und manchmal beides bei ein und derselben Person. Deshalb wird er außerhalb Niederösterreichs zwar respektiert und mitunter gefürchtet, aber nur selten geliebt. Gegen ihn ist schwer Politik machen, und in der ÖVP schon gar nicht. Selbst in den Bund zu wechseln, verweigerte Pröll wiederholt. Lieber zieht er von St. Pölten aus die Fäden.
Neben der Kultur hat Pröll das Land auch mit neuen Straßen ausgestattet. Und mit Kreisverkehren. Ganz, ganz vielen Kreisverkehren. Sicher, das Land hatte mit der Öffnung der Grenzen Aufholbedarf. Und um die Dörfer zu retten, bestehende Jobs zu sichern und neue zu schaffen, wird in NÖ auch sonst gefördert, was die Töpfe hergeben. Und darüber hinaus. Entsprechend angespannt ist die Lage der Landesfinanzen. Nach Kärnten muss das Land die höchste Pro-Kopf-Verschuldung schultern, Moody’s, eine Ratingagentur, droht mit dem Entzug der Bestnote für Niederösterreich.
Sparen, kürzen, umschichten: Das alles wird wohl erst der nächste Landeshauptmann angehen. Johanna Mikl-Leitner (52), die im April 2016 als Innenministerin wieder zurück in die Landesregierung wechselte, steht schon bereit. Doch wann Pröll seinen Hut nimmt, weiß nur er. Dieser Tage kokettiert er sogar mit einer neuerlichen Kandidatur bei den nächsten Landtagswahlen im Frühjahr 2018. Zuzutrauen wäre es ihm, und mit der Botschaft "Wenn ich die Absolute verliere, gehe ich" ließe sich gewiss vortrefflich ein letztes Mal wahlkämpfen. Aber nicht einmal, dass er in den nächsten Tagen seinen Hut nimmt, lässt sich mit Sicherheit ausschließen. Einer wie Pröll lässt sich nicht drängen.
Rücktritt ist die schwerste Kunst
Dabei weiß er mit Sicherheit, dass nichts schwieriger ist, wie den eigenen Rücktritt richtig zu timen. Ein Blick nach Wien, wo sein großkoalitionärer Duzfreund Michael Häupl seit 1994 regiert, sollte ihm zeigen, wie groß die Spannungen werden, wenn die Nachfolge ungeregelt bleibt. Und auch Josef Pühringer, Landeshauptmann in Oberösterreich seit 1995, musste einen Hahnenkampf zweier Nachfolgekandidaten moderieren. Aber Pröll kennt das, deswegen residiert ja Wolfgang Sobotka im Innenministerium.
Sollte es doch einmal so weit sein, könnte sich Pröll einen guten Abgang verschaffen, wenn er sich an Schimon Peres zum Vorbild nimmt. Der war immerhin 91, als er 2014 als Staatschef Israel abtrat. Zu diesem Anlass hat er ein grandioses Video auf YouTube gestellt, in dem er sich auf Jobsuche begibt. Also versucht er sich als Supermarktkassier, als Tankwart, Pizzazusteller und Stand-up Comedian. Sehr sehr witzig.