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Der Tod eines weißrussischen Oppositionellen in der Ukraine
könnte auf das Konto des belarussischen Regimes gehen.
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Nur 26 Jahre wurde Witaly Schischow alt. Am Montag brach er zum Joggen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew auf. Tags darauf wurde er unweit seiner Wohnung aufgefunden, erhängt in einem Park. Die Polizei kündigte an, in alle Richtungen zu ermitteln – und nannte auch einen "als Suizid verschleierten Mord".
Denn Schischow gehörte zu jener Gruppe weißrussischer Oppositioneller, die aus dem Exil am Sturz von Machthaber Alexander Lukaschenko werken. Viele haben sich seit der – allen unabhängigen Untersuchungen zufolge – gefälschten Präsidentschaftswahl vergangenen Sommer ins Ausland abgesetzt, vor allem in die Ukraine, nach Polen und Litauen. Schischow leitete die Organisation "Belarussisches Haus der Ukraine", die laut Eigenbeschreibung für Unterbringung, Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitsplätze im Gastland sorgte.
Mord- und Entführungsversuche
Diese sprach nach Bekanntwerden von Schischows Tod von einer "geplanten Operation" des Regimes zur "Eliminierung" des Mannes. Schischow habe Belarus 2020 verlassen und sich unter ständiger Beobachtung gefühlt. Er sei auch vor Mord- und Entführungsversuchen gewarnt worden.
Die behördlichen Ermittlungen der Todesursache stehen zwar erst am Anfang. Dass der Verdacht sogleich auf Lukaschenko fällt, überrascht dabei nicht. Bereits seit den 1990ern besteht die gut begründete – aber nicht entscheidend bewiesene – Annahme, der Autokrat lasse Gegner von Todesschwadronen umbringen.
Wie skrupellos Lukaschenko agiert, demonstrierte er offen im Mai. Damals zwangen die Behörden einen von Griechenland nach Litauen fliegenden Jet zur Zwischenlandung in Belarus. Vorgeschoben wurde dabei die Gefahr einer Bombe an Bord. Tatsächlich ging es um einen Passagier, den Lukaschenko als politischen Sprengstoff erachtet: Roman Protassewitsch, der – wie auch Schischow – über den Messenger Telegram aktiv war. Er betrieb die Kanäle, die von Millionen Menschen verfolgt wurden und mit deren Hilfe sich die Protestierenden gegen Lukaschenko koordinierten.
Der Machthaber ließ die Demonstrationen brutal niederschlagen, dabei wurden willkürlich Personen festgenommen. Jeden kann es treffen, niemand soll sich sicher fühlen. Auf diese Weise wurde auch ein Exempel an Protassewitsch statuiert. Nach seiner Verhaftung wurde der 26-Jährige mehrfach öffentlich vorgeführt, wie er der Kritik am Regime abschwört. Unübersehbar waren dabei Wunden am Körper.
Mittlerweile sollen sich Protassewitsch und seine ebenfalls zuvor verhaftete russische Partnerin unter Hausarrest befinden. Der Mann, dem Lukaschenko "Organisation von Massenunruhen" vorwarf, darf einen Account auf Twitter betreiben. Zuletzt meldete er sich dort Ende Juli zu Wort, dementierte seine laut der Organisation Reporter ohne Grenzen "unmenschlichen Haftbedingungen".
Sportlerin reist nach Polen aus
Dass Lukaschenkos Regime auch im Ausland operiert, zeigte zuletzt der Fall von Olympia-Athletin Kristina Timanowskaja. Sie sollte nach Kritik an ihren Trainern aus Tokio geschafft werden. Die 24-Jährige steht nun unter dem Schutz der japanischen Polizei und soll demnächst nach Polen ausreisen, wo sie humanitäres Asyl erhält. Auch Österreich wäre zur Aufnahme bereit gewesen. "Österreich duckt sich nicht weg", sagte Außenminister Alexander Schallenberg der "Presse". (da)