)
EU-Kommissar Hahn fordert Solidarität Europas mit der Türkei und den Ländern des Westbalkans in der Flüchtlingsfrage ein.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Für den aus Österreich stammenden EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn ist klar, was in der Flüchtlingskrise zu tun ist: EU-Mittel, die für die Türkei bereitgestellt werden, sollten für die Flüchtlingshilfe umgeschichtet werden. Immerhin beherbergt die Türkei rund zwei Millionen syrischer Flüchtlinge, mehr als jedes andere Land. Bei diesen Geldern, es geht um rund eine Milliarde Euro, handelt es sich eigentlich um Mittel, die der Türkei auf dem Weg in die EU helfen sollten. Diese sollten nun für die Versorgung der syrischen Flüchtlinge verwendet werden. Die Einstufung der Türkei als "sicheres Herkunftsland", wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, hält Hahn für gerechtfertigt. "Andernfalls könnte man ja fragen, ob die Türkei noch ein EU-Kandidatenland ist." Er betont allerdings, dass das Recht auf individuelle Asylanträge davon nicht berührt werde.
Die Türkei spiele auch eine Schlüsselrolle bei möglichen Gesprächen über Frieden in Syrien, heißt es von Seiten hochrangiger Beamter aus Hahns Büro. Am 4. Oktober, beim Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Brüssel, sei eine gute Gelegenheit zu einem Gespräch über dieses Thema. Wobei man in Brüssel den jüngsten Syrien-Vorstoß des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Interesse beobachtet und zumindest Optimisten darin eine Chance sehen, Moskau ins Boot zu holen. Die Alternative wäre eine mögliche weitere Eskalation, da Russland zuletzt die Militärhilfe für Assad erhöht hat. In Kommissionskreisen wird zudem mit Blick auf Athen die effiziente Sicherung der externen EU-Grenzen eingemahnt. In Brüssel reagiert man mit Unverständnis, dass Athen sich bis dato dagegen stemmt, die Marine und die Armee zum Schutz der Grenzen einzusetzen und Brüsseler EU-Beamte erinnern daran, dass Griechenland eines der EU-Länder mit den höchsten Rüstungsausgaben pro Kopf ist. In einer Pressekonferenz betonte Hahn allerdings, dass Griechenland Unterstützung bei der Sicherung der EU-Außengrenze brauche.
Visegrad-Staaten sperren sich
Hahn, in dessen Zuständigkeit die Länder des Westbalkans fallen, wies darauf hin, dass die Westbalkanstaaten nicht für laxe Grenzkontrollen verantwortlich gemacht werden - denn schließlich habe jeder Flüchtling, der auf dem Westbalkan ankomme, zuvor eine EU-Außengrenze überquert. Die EU müsse dafür Sorge tragen, dass die Westbalkan-Staaten nicht überfordert werden. Der Westbalkan dürfe nicht zu einem "Niemandsland für gestrandete Flüchtlinge" gemacht werden. "Harsche Rhetorik", sagte Hahn in Anspielung auf die Wortgefechte zwischen Serbien und Ungarn, sei verzichtbar. Er warnte auch vor einem neuen Eisernen Vorhang in Europa und ließ die Journalisten wissen, dass in seinem Büro ein Foto vom Schnitt durch den Eisernen Vorhang vom damaligen österreichischen Außenminister Alois Mock gemeinsam mit Ungarns Außenminister Gyula Horn drei Monate vor der Grenzöffnung im Juni 1989 hängt.
Was allerdings im Brüsseler EU-Bezirk überall zu spüren ist: Wie schon in der Griechenland-Krise obsiegen Zank, Hader und nationaler Egoismus über die Bereitschaft zu gemeinsamen Lösungen. Vor allem die Visegrad-Staaten Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn sperren sich gegen den Kommissionsvorschlag, Flüchtlinge quer über Europa zu verteilen. Vertreter aus dem "alten Europa" erinnern daran, dass Polen ein glühender Verbündeter der USA beim Einmarsch in den Irak gewesen ist, daraus ergebe sich auch eine besondere Verantwortung für den Schutz der Flüchtlinge aus Syrien, da der Konflikt in Syrien nicht zuletzt eine Folge dieses Krieges ist.
Der Grün-Abgeordnete Michel Reimon zeigt sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zufrieden über die Zustimmung des Europaparlaments zum Vorschlag der Kommission, die Flüchtlinge auf Europa aufzuteilen, betont aber, dass sich einmal mehr gezeigt habe, "dass ein Europa der 28 Regierungen nicht funktioniert. Wir brauchen eine gewählte EU-Kommission."