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Niki-Insolvenz zeigt Grenzen des Internationalen Insolvenzrechts auf

Von Clemens Jaufer

Recht

Gastbeitrag: Für die Internationalisierung des Insolvenzrechts braucht es rechtliche Regelungen.


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In den vergangenen Jahren war die Anzahl der Insolvenzverfahren zwar generell rückläufig, jedoch gab es mit einigen Großinsolvenzverfahren, wie etwa Alpine-Bau, spektakuläre Pleiten. Diese haben gezeigt, dass es auch im Insolvenzrecht eine Internationalisierung faktisch gibt und es auch rechtliche Regelungen dafür braucht. Der Insolvenzfall "Niki Luftfahrt GmbH" unterstreicht die Wichtigkeit dieses Themas.

Bisher war es so, dass bei der Insolvenz von Konzerngesellschaften, die außerhalb des Sitzstaates der Konzernmutter ihren Sitz hatten, unterschiedliche Regelungen (Jurisdiktionen) einer Unternehmensrestrukturierung zur Anwendung kamen. Dies erschwerte oftmals sinnvolle Bemühungen einer Gesamtsanierung, weshalb in Einzelfällen eben auch durchaus sanierungstaugliche Unternehmen geschlossen und zerschlagen werden mussten.

Damit zumindest im EU-Raum diese Situation für erfolgreiche Unternehmens-Restrukturierungen harmonisiert und verbessert werden kann, hat die EU nunmehr die EU-Insolvenzverordnung 2015 erlassen (Wirksamkeit seit Juni 2017) und dies - wie man im Fall Niki glauben konnte - gerade noch rechtzeitig:

Das EU-Recht besagt, dass nunmehr auch ein Insolvenzverfahren über ein inländisches Unternehmen - etwa eine österreichische GmbH - im EU-Ausland nach dem dortigen Insolvenzverfahrensrecht eröffnet werden kann. Dies war für sich betrachtet bisher kaum vorstellbar.

Mittelpunkt der Interessen in Berlin

So wurde im Fall Niki am 14. Dezember 2017 gemäß den Bestimmungen der EUInsVO in Deutschland (Berlin) ein vorläufiges Insolvenzverfahren eingeleitet. Niki ist zwar eine österreichische GmbH mit Sitz in Korneuburg. Trotz des statutarischen Sitzes im EU-Ausland hat das Berliner Insolvenzgericht die internationale Zuständigkeit in Berlin gesehen. Danach ist maßgeblich, in welchem Staat sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Schuldnerin, in dem Fall Niki, befindet (Center of Main Interest, kurz COMI).

Mag auch zunächst die Vermutung des COMI für die internationale Zuständigkeit der Insolvenzgerichtsbarkeit im Staate des statutarischen Sitzes der Schuldnerin (hier Republik Österreich) vermutet werden, ist diese Vermutung widerlegbar. Im vorliegenden Fall wurde sie damit widerlegt, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen in Berlin befindet (so der Auszug aus der insolvenzgerichtlichen Bekanntmachung vom 14. Dezember 2017). Da sich die Unternehmensleitung und wesentliche Unternehmensteile von Niki allerdings in Deutschland am Sitz der Konzernmutter Air Berlin, die selbst seit Sommer 2017 in Insolvenz verfangen war, befanden, wurde ein Hauptinsolvenzverfahren in Berlin eingeleitet.

Begründet wurde dies damit, dass die wirtschaftlichen und strukturellen Zusammenhänge wie auch die finanziellen und rechtlichen Verflechtungen zwischen Air Berlin und Niki, aber insbesondere der knappe Zeitrahmen eine Sanierung nur unter einheitlichem Insolvenzverfahrensrahmen und der Federführung eines zentral agierenden Insolvenzverwalters zuließen. Der deutsche Insolvenzverwalter der Air Berlin war in alle Sonderthemen, die ein Luftfahrtunternehmen mit sich bringt, eingearbeitet und hätte daher den der Sanierung von Niki dienenden Verkaufsprozess rasch in rund drei Wochen (fast) abwickeln können.

Dies ging aber einem Gläubiger gegen den Strich, der daher gegen die Verfahrenseinleitung in Deutschland Rechtsmittel erhob, woraufhin das Berliner Landgericht entschied, dass der COMI tatsächlich nicht in Berlin liege. Gleichzeitig wurde am Landesgericht in Korneuburg ein neues (weiteres) Hauptverfahren eröffnet; Kurz sah es so aus, als würden der deutschen Verwalter und die österreichische Masseverwalterin um die Insolvenzmasse streiten.

Zuständigkeitsstreit wäre zu Wertvernichter geworden

Die Fakten ließen aber keine lange Auseinandersetzung zu: Der Werterhalt der Niki hing von einer raschen Finalisierung des in Schwebe befindlichen Verkaufsprozesses ab. Daher haben beide Insolvenzverwalter gemeinsam den Verkauf von Niki letztendlich in Österreich durchgeführt. Die österreichische Verwalterin konnte auf den deutschen Verkaufsprozess aufbauen und in rund einer weiteren Woche den Verkauf abschließen. Wäre dieser Verkauf im zweiten Anlauf jedoch nicht geglückt, so wäre dieser Zuständigkeitsstreit zu einem echten Wertvernichter geworden. Generell wird erst die Zukunft zeigen, ob diese Entwicklung für die Sanierung von Niki nützlich war.

Aus insolvenzrechtlicher Sicht bleibt die Frage des Zuständigkeitsstreits noch offen, sollte nun aber vom Bundesgerichtshof in Deutschland geklärt werden. Ohne die Details zu kennen, stellt sich aber dennoch die Frage, ob die Verfahrensabhandlung am Sitz des Konzerns nicht doch sinnvoller gewesen wäre. Das Verfahren wurde in Berlin auf einen Antrag der Gesellschaft hin eingeleitet. Da diese von Insolvenzexperten beraten war, ist davon auszugehen, dass dieser Schritt ein wohl vorbereiteter war.

Das EU-Recht bietet eben diese Möglichkeit, um zusammenhängende Unternehmen einheitlich und gemeinsam sanieren zu können - insoweit sinnvoll. Möglicherweise hätte dies im Fall er Niki auch für wesentliche Stakeholder rechtliche Vorteile gebracht. Offensichtlich passt diese junge - fortschrittliche - Rechtsentwicklung des Zusammenwachsens grenzüberschreitender Insolvenzfälle noch nicht in das Bild aller Beteiligter.

Es wäre wünschenswert, wenn diese künftig erkennen, dass eine immer internationalere und dynamischere Wirtschaft daran angepasste Regelungen einer Unternehmenssanierung erfordert. Die EU hat mit der Verordnung 2015 dazu einen wesentlichen Schritt beigetragen, was in der Praxis - in anderen Fällen - bereits unmittelbar nach Inkrafttreten der EU-InsVO eine positive Resonanz gezeigt hat.

Clemens Jaufer ist Partner und Rechtsanwalt der ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH mit Kanzleistandorten in Wien und Graz. privat