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Nimms Spitälern statt Familien

Von Ernest G. Pichlbauer

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Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Werte Leser! Was sich aktuell abspielt, lässt mich rasen. | Es sind vor allem zwei Aussagen, die mich geradezu auf die Palme treiben.


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Die erste Aussage ist einige Wochen alt. Da hat Finanzminister Josef Pröll wissen lassen, dass die "Realverfassung" wichtiger ist als die "echte", und hat zum Ausdruck gebracht, dass wir, das Volk, einfach hinnehmen müssen, dass von uns legitimierte Bundespolitiker gegenüber den Ländern keine Macht haben, selbst wenn die Verfassung diese vorsehe. Warum wählen und bezahlen wir sie?

Die zweite Aussage war nicht minder irritierend. Da hat Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner in einem "ZiB2"-Interview gemeint, man müsse Geld für das kommende Jahr auftreiben. Das gehe mit Reformen nicht so schnell, daher gebe es diese jetzt nicht. Wer das nicht verstehe, verstehe eben nicht, wie ein Staat funktioniert.

Tja, also keine Reformen! Und was verstehen dann Bundespolitiker unter sparen? Die Streichung von Sozialleistungen bei Familien. Mir ist keine Studie bekannt, die Familien irgendwie als reich identifiziert hätte. Im Gegenteil: Alle sagen, dass Familien wegen der hohen Steuerbelastung auf Arbeit nur durch Sozialtransfers der Armut entkommen.

Anderen Ländern ist beim Sparen anderes eingefallen. Da wurden Beamtengehälter und Pensionen gekürzt. Bei uns nicht. Das ist kein Wunder, wenn man betrachtet, welche Lobbyisten diese Gruppen vertreten.

Aber das ist ja nicht alles. Natürlich, wenn man sich gerade einmal drei Wochen Zeit für ein Budget nimmt, dann kann wohl nichts anderes herauskommen; selbst wenn man seit Jahren weiß, was getan werden müsste. In den letzten Jahrzehnten wurden hunderte, wenn nicht tausende Studien und Ergebnispapiere von Arbeitsgruppen - Stichwort Österreichkonvent - erstellt, die zeigen, wie Sparen durch Reformieren funktionieren kann. All diese Vorarbeiten wurden mit sehr viel Steuergeld finanziert - und ignoriert.

Und wie ist das in der Gesundheitspolitik?

Die Kassen - ohnehin eher Blender als Reformatoren (oder kennt jemand den sagenumwobenen Masterplan des Hauptverbandes, der für Herbst groß angekündigt wurde?) - haben bereits mitgeteilt, dass ihr Sparwille sinken wird, wenn sie weniger Steuergeld erhalten (statt 100 nur 60 Millionen). Und Minister Stöger legt gleich nach und sagt, sie müssen ohnehin weniger sparen, wenn die Belohnung weniger wird. Und weil die Sparmaßnahmen, die bis jetzt so "erfolgreich" waren, nichts mit einer Reform zu tun hatten, sondern großteils zustande kamen, weil wegen Patentabläufen die Medikamentenpreise sinken - ein Trend, der noch anhalten wird -, ist jede Reform auf Jahre tot.

Und auf der anderen Seite die Länder. Es gibt niemanden mit Ahnung, der nicht das größte Sparpotenzial in einer Spitalsreform sieht. Und wenn ein Minister sich schon der Peinlichkeit hingibt, nicht zu wissen, woher er Geld für das nächste Jahr nehmen soll, und deswegen auf Familien zurückgreift, dem sei Folgendes ins Stammbuch geschrieben.

Etwa fünf Milliarden Euro schießt der Bund den Ländern für Spitäler zu. Geregelt werden diese Zuschüsse im Finanzausgleich, der von den Ländern noch nie eingehalten wurde - Stichwort Stabilitätspakt. Statt weiterhin Milliarden im größten Verschwendungsbereich der Republik zu versenken, sollte der Bund auch auf den Pakt pfeifen und den Ländern einfach ein paar hundert Millionen Spitalsgelder wegnehmen - genauso unvorbereitet wie den Familien. Vielleicht wird es dann eine Spitalsreform geben.

Aber dazu braucht es eben Politiker und nicht irgendwelche selbstherrlichen Marionetten irgendwelcher Interessensvertretungen oder Länder.

Dr. Ernest G. Pichlbauer ist

unabhängiger Gesundheits ökonom und Publizist.