Nach der Entlassung von FBI-Direktor Comey übt sich das Weiße Haus wenig erfolgreich in Krisenmanagement.
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Los Angeles/Washington. Zumindest darauf ist Verlass: Den Tag nach dem großen Knall eröffnete Donald Trump wie gewohnt mit einem Stakkato an Kurzbotschaften, verbreitet über die Kommunikationsplattform seines Vertrauens. Kurz vor sieben Uhr morgens Ortszeit Washington teilte der US-Präsident der Welt per Twitter mit, dass ihm die Demokraten "noch dankbar dafür sein werden", FBI-Direktor James Comey vom einen Tag auf den anderen von seinen Pflichten entbunden zu haben, "weil dieser ihr Vertrauen wie das der Republikaner verloren hat."
Was neben diversen Beschimpfungen von liberalen Senatoren (Chuck Schumer, Richard Blumenthal) und Medien (CNN) folgte: Ein Link auf das rechtskonservative Online-Medium "Drudge Report", das wiederum auf eine obskure Website verlinkte, die Comey für praktisch alle seit seinem Amtsantritt 2013 in den USA begangenen Terroranschläge Mitschuld gibt: vom Anschlag auf den Boston Marathon bis zum Attentat auf einen vorwiegend von Homosexuellen frequentierten Nachtklub in Florida. Trumps unzweideutige Botschaft: der Mann, dem er kurz nach seiner Angelobung noch buchstäblich Küsse zugeworfen hatte, sei heute unfähig, Amerikas Bürgerinnen und Bürger zu schützen, weshalb ihm keine Wahl geblieben sei, als ihn zu feuern.
Laut dem Weißen Haus führt Justizminister Jeff Sessions diese Woche Jobinterviews mit vier Kandidaten, die Comey nachfolgen sollen: Michael Anderson, Special Agent aus dem FBI-Büro Chicago; Paul Abbate, derzeit Chef der Criminal, Cyber, Response and Services Branch (CCRSB), eine der größten Abteilungen der Bundespolizei mit Sitz in der Hauptstadt; Adam Lee, Special Agent im FBI-Büro von Richmond, Virginia; und William Endavina, Chef der Spionageabwehr und Sicherheitsberater von Dan Coats, dem Direktor des National Intelligence Program, dem alle 16 US-Geheimdienste untergeordnet sind. Für wen immer sich Sessions und Trump am Ende entscheiden: den Eindruck, dass sie und mindestens eine Handvoll ihrer (Partei-) Freunde und Verwandten etwas zu verbergen haben, dürften sie nicht so schnell loswerden.
Wie die "New York Times" berichtete, hatte Comey kurz vor seiner Entlassung bei Sessions Stellvertreter Rod Rosenstein zum Thema Russland vorgesprochen. Dabei soll er das Justizministerium um mehr Geld und mehr Ressourcen gebeten haben, zum Zweck einer Ausweitung und Beschleunigung der offiziellen FBI-Untersuchung der Verbindungen zwischen Mitgliedern vom Trumps Wahlkampftruppe und Emissären der russischen Regierung.
Comey hielt die Entlassung anfangs für einen Scherz
Beleg dafür, dass Comey nicht damit gerechnet hatte, unmittelbar nach dieser Unterhaltung seinen Job zu verlieren, lieferten glaubwürdige Quellen in Los Angeles noch am selben Tag: Ihnen zufolge soll der 56-Jährige das ganze zunächst für einen Scherz gehalten haben. Als er von seiner Entlassung erfuhr, weilte Comey gerade in Hollywood, wo er vor potentiellen FBI-Rekruten einen Vortrag hielt.
Erst als ihm drei vom Weißen Haus in Umlauf gebrachte Briefe präsentiert wurden – einer von Trump, einer von Sessions und einer von Rosenstein –, in denen diese ihre Gründe darlegten, warum der höchstrangige Bundespolizist der USA seinen Schreibtisch räumen muss, soll ihm der Ernst der Lage klar geworden sein. Der von den Briefschreibern angeführte "Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust" habe sich ihnen zufolge unter anderem in Comeys Entscheidung niedergeschlagen, zuerst Hillary Clinton wegen der Nutzung eines privaten E-Mail-Servers zu ihrer Zeit als Außenministerin nicht anzuklagen und dann in weiterer Folge die Ermittlungen zur Causa falsch dargestellt zu haben.
Hintergrund: Jüngst hatte Comey im Rahmen einer Anhörung im Kongress behauptet, dass Clintons engste Mitarbeiterin Huma Abedin ihrem Lebensgefährten, dem wegen diverser Sexskandale zurückgetretenen Ex-Abgeordneten Anthony Wiener, absichtlich tausende E-Mails weitergeleitet habe, von denen einige als geheim eingestuft gewesen seien. Beides faktisch falsche Aussagen: Abedin hatte die Mails nicht absichtlich weitergeleitet und die Einstufung der wenigen "geheimen" als solche durch das State Department erfolgte erst im Nachhinein.
"Nixonian" nennen Kritiker Trumps Art, zu reagieren
Wie im Lauf des Mittwochs klar wurde, erschien dem Weißen Haus diese letzte Episode der Clinton-E-Mail-Saga offenbar Anlass genug, Comey endlich zu feuern – ein offensichtlich schon länger von Trump geplanter Schritt. Der New Yorker Ex-Reality-TV-Star hegte gegenüber dem FBI-Chef schon länger eine gesunde Portion Misstrauen und das mutmaßlich nicht zu Unrecht. Zum politischem Druck, die Untersuchungen gegen Trumps Wahlkampfteam und ihre russischen Verbindungen einzustellen, kam Comeys mit als skeptisch nur unzureichend beschriebene Reaktion auf Trumps – nachweislich aus der Luft gegriffene – Behauptung, dass ihn sein Vorgänger Barack Obama im Trump Tower in Manhattan "abhören" habe lassen.
Entsprechend alldem verheerend zeigt sich jetzt die Optik: "Nixonian" nennen die Demokraten Trumps Art zu regieren, in Anlehnung an die kriminellen Machenschaften Richard Nixons. Der von 1969 bis 1974 regierende Republikaner hatte bis zuletzt alles dafür getan, die gegen ihn gerichteten Ermittlungen in der Watergate-Affäre zu sabotieren und dafür alle Mittel ausgeschöpft, die ihm das Präsidentschaftsamt einräumt. Einzig: den FBI-Direktor zu entlassen wäre selbst "Tricky Dick" nicht eingefallen. Inwiefern der historische Vergleich mit Nixon wirklich gerechtfertigt ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt und Erkenntnisstand aber unmöglich sagen. Fest steht lediglich, dass sich Trump mit der Entscheidung, Comey zu entlassen, politisch mit Anlauf in beide Knie geschossen hat.