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"No pasaran! · Sie werden nicht durchkommen!"

Von Edgar Schütz

Politik

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Der Inhalt des Telegramms, das im März 1939 von Spanien über die Grenze nach Frankreich geschickt wurde, ließ den Anfang vom Ende nicht sofort erkennen: "Schickt uns Kartoffeln", lautete die

harmlose Botschaft, hinter der sich jedoch Resignation und Todesangst verbarg. Es war die Bitte verzweifelter Republikaner nach Schiffen, um vor den Truppen des General Francisco Franco zu fliehen.

Am 28. März marschierte Franco nach dreijährigem Kampf in Madrid ein. Am 1. April vor sechzig Jahren war mit dem Spanischen Bürgerkrieg das Vorspiel zum Zweiten Weltkrieg beendet.

Als die Generäle rund um Franco am 17. Juli 1936 gegen die Regierung der linksliberalen Republik putschten, entfesselten sie eine ideologische und militärische Auseinandersetzung, bei der die

demokratische Mitte und die gemäßigte Linke ihre letzte große gemeinsame Illusion bezüglich des orthodoxen Kommunismus auslebten. Daß die Ideale, die sie neben dem Kampf gegen die Ausbreitung des

Faschismus leiteten, bereits verloren waren, erfuhren viele von ihnen spätestens bei den stalinistischen Säuberungen, die auch in Spanien viele Opfer forderten. Auch wenn der Bürgerkrieg in seinem

Verlauf zunehmend eine internationale Dimension erfuhr, sind seine Ursachen in Spanien selbst zu suchen und nicht in jenen Verschwörungstheorien, die von beiden Seiten lange hochgehalten wurde. Die

Linke sprach von einer faschistischen Entfesselung, die Rechte von bolschewistischer Bedrohung.

Seit dem 19. Jahrhundert kannte Spanien vier Problemkreise: die Einmischung der Militärs in die Politik; die Spannungen zwischen Gesellschaft und Kirche, die unter anderem das Bildungsmonopol

innehatte, die Konflikte Madrids mit Katalonien und dem Baskenland, die nach Autonomie strebten, sowie der Agrarsektor, wo sich Großgrundbesitzer und Tagelöhner gegenüberstanden. Diese Kluft war

unüberwindbar.

Nach dem Sieg der Antimonarchisten bei den Gemeindewahlen im April 1931 und der Ausrufung der Republik ("La nina bonita") wurde Spanien zu einem laizistisch-demokratischen Staat, der die Macht der

Kirche brach. Der schwindende Einfluß der politischen Mitte führte aber zu einer Polarisierung der Gesellschaft, die ohnehin kaum eine mäßigende Mittelschicht aufwies. Die Folge waren

linksrevolutionäre Ausschreitungen und eine Radikalisierung der Traditionalisten.

Putsch gegen die Republik ging in Spanisch-Marokko los

Bei den Wahlen am 16. Februar 1936 waren die Spannungen bereits greifbar. Die in einer Volksfront vereinigten republikanischen und linken Kräfte errangen einen klaren Sieg. Die neue

linksbürgerliche Regierung geriet aber unter immer stärkeren Druck der Rechten sowie der revolutionären Linken und der Anarchisten, die nun den Moment gekommen sahen, die Reformen endlich

durchzusetzen.

Am 17. Juli erhoben sich die Truppen in Spanisch-Marokko. Einen Tag später stießen Teile der Streitkräfte sowie die Milizen der katholisch-monarchistischen Karlisten aus Navarra und der 1933/34

entstandenen faschistischen Falange dazu. Zwar brachten die Aufständischen Navarra, Teile von Aragon, Kastilien-Leon, Galicien und der Estremadura sowie einige Gebiete Andalusiens unter ihre

Kontrolle, der angestrebte Sturz der Regierung scheiterte vorerst jedoch. Madrid konnte nicht eingenommen werden, die Industriegebiete und Großstädte blieben großteils loyal. Den Putschisten fehlten

auch Waffen, Geld und die Mittel, um die Einheiten aus Afrika nach Spanien übersetzen zu können. Zuerst sagte Deutschland Unterstützung zu. Hitlers Ziel war die Schwächung Frankreichs, das 1935 mit

der Sowjetunion einen gegen das Deutsche Reich gerichteten Beistandspakt abgeschlossen hatte und seit 1936 ebenfalls von einer Volksfront regiert wurde. Die deutsche Rüstungsindustrie tobte sich in

Spanien erstmals aus. Am 26. April 1937 legten die Ju-52 und Messerschmidt-Flieger der Legion Condor die Baskenstadt Guernica in Schutt und Asche.

Die legitim gewählte Republik suchte vorerst vergeblich um Hilfe. Die Westmächte · allen voran Frankreich und Großbritannien · schlossen einen Nichtinterventionspakt, der eine europäische Eskalierung

des Konfliktes verhindern sollte, vor allem aber wirtschaftlichen Interessen diente. In der politischen Basis entstand weltweit eine spontane antifaschistische Solidarität. Exemplarisches Beispiel

dafür waren die Internationalen Brigaden, in deren Reihen auch 1.350 Österreicher kämpften, die den 1934 verlorenen Kampf vor Madrid fortsetzen wollten. Die ersten der rund 35.000 Freiwilligen aus

über 60 Nationen trafen Mitte Oktober 1936 ein. Kurz nach den ersten Waffenlieferungen der Sowjetunion, die der Volksfront-Regierung aus Rücksicht auf die Kommunistische Internationale die Hilfe

nicht verweigern konnte.

Im Herbst 1938 wurde Franco zum "Generalisimo", zum Führer der nationalen Bewegung ernannt. Der Caudillo stützte sich dabei neben Armee und Kirche vor allem auf die von Jose Antonio Primo de Rivera

gegründete Falange. Bis Sommer 1938 gelang den Franquisten nach der Eroberung des Nordwesten auch der Durchbruch zum Mittelmeer, womit Katalonien vom Reststaat abgetrennt wurde. Die Parole "No

pasaran! · Sie werden nicht durchkommen" hatte ihre Schlagkraft verloren. Im Jänner 1939 fiel Katalonien, Ende März Madrid. Die Diktatur endete erst mit Francos Tod am 20. November 1975.