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Noahs Arche ist ein Tiefkühlschrank

Von Thomas Borchert

Wissen
In Spitzbergens Eis werden nun Pflanzensamen eingefroren archiviert. Foto: corbis

4,5 Millionen Pflanzensamen sollen bei Spitzbergen auf Lager gelegt werden. | Depot soll alle | Naturkatastrophen überdauern. | (dpa) Eine "tiefgekühlte Schatzkammer" für die Kulturpflanzen der Menschheit wird am Dienstag auf der Polarinsel Spitzbergen unweit des Nordpols eröffnet. In 130 Metern Höhe hat Norwegens Regierung drei Hallen in einen von ewigem Frost gekühlten Berg bohren lassen, um eine gigantische Sammlung von Pflanzensamen aus aller Welt einzulagern. Der Vorrat soll sicherstellen, dass auch nach riesigen oder sogar globalen Naturkatastrophen neue Samen bereitliegen, um wieder mit dem Anbau von Lebensmitteln beginnen zu können.


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Schon vor der feierlichen Eröffnung, zu der EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Norwegens Regierungschef Jens Stoltenberg sowie die kenianischen Friedensnobelpreisträgerin und Umweltschützerin Wangari Maathai kommen wollen, ist die erste Lieferung eingetroffen. Das in Nigeria ansässige Internationale Institut für Tropen-Landwirtschaft hat 20 Kisten mit 7000 Samenproben aus 36 afrikanischen Ländern geschickt. Der norwegische Landwirtschaftsminister Terje Riis-Johansen kann die Eröffnung kaum erwarten und bemüht im Vorfeld ein biblisches Symbolbild: "Das wird eine moderne Neuauflage der Arche Noah."

Permanent auf minus 18 Grad gekühlt

Vor allem in tropischen Ländern könnte das Saatgut im Katastrophenfall allzu leicht zerstört werden - wenn die Kühlschränke ausfallen, keimen oder verderben die Samen schnell. Anders sieht es auf Spitzbergen aus, nur 800 Kilometer vom Nordpol entfernt. Die Durchschnittstemperatur liegt hier bei minus drei bis vier Grad. Die drei je sechs Meter hohen Lagerhallen in einem Berg nahe des kleinen Flugplatzes von Longyearbyen aber werden permanent auf minus 18 Grad gekühlt. Das ist die ideale Temperatur, um die eingelagerte Saat für gut tausend Jahre frisch zu halten. Die globale Samenkammer soll aber noch ganz andere Bedingungen erfüllen: Sie ist so hoch über dem Meeresspiegel angelegt, dass die Hallen auch bei Erfüllung der pessimistischsten Vorhersagen über die Klimaveränderungen trocken bleiben sollen. Und selbst ein Atomkrieg dürfte ihnen nach Meinung der Konstrukteure nichts anhaben. Sogar an die Gefahr etwaiger direkter Raketenangriffe haben die Konstrukteure gedacht. Die Gänge sind versetzt, damit ein direkter Treffer möglichst nicht in die Lagerräume vordringen kann.

4,5 Millionen Samenproben können hier eingelagert werden. "Das wird der wichtigste Kühlschrank der Welt", ist die Zeitung "Nationen" überzeugt. Der norwegische Genforscher Ola Westengen weist dabei die Vorstellung zurück, dass hier vor allem für eine apokalyptische Super-Katastrophe vorgesorgt werde: "Es ist doch ganz natürlich, dass man einige Samenarten auf diese Art bewahren und erhalten will."

Genetische Vielfalt soll erhalten bleiben

So gebe es heute nur noch 20 Prozent jener Maisarten, die um 1930 in Mexiko angebaut wurden. Fehlendes Geld und ein Mangel an Übersicht für den Erhalt der genetischen Vielfalt der Pflanzen seien viel gefährlicher für das Aussterben von Nutzpflanzen als die meisten nur erdenklichen Horror-Szenarien. Monatelang hat sich Westangen mit seinen Kollegen darauf vorbereitet, in den Hallen der globalen Samenbank systematisch Saatgut für Weizen, Erdäpfel, Bohnen, Linsen, Erdnüsse, Soja und vieles, vieles mehr einzusortieren. Allein auf den Philippinen gebe es mehr als 70.000 verschiedene Reis-Proben, die in den vergangenen Jahren gesammelt worden seien und nun ins ferne Spitzbergen geschickt würden.

Auch aus Deutschland sind inzwischen 2000 Samenproben eingegangen. "Zunächst wohl eher symbolisch", meint Westangen und zählt auf, was dazugehört: alle möglichen Bohnenarten, Kichererbsen, Hafer, Gerste und Weizen. Rund 50 Millionen Kronen (6,3 Millionen Euro) hat die Regierung in Oslo für den Bau des globalen Samenlagers bereitgestellt. Die laufenden Erhaltungskosten teilen sich die Skandinavier mit den Vereinten Nationen.

Wer zur feierlichen Eröffnung kommenden Dienstag nach Spitzbergen reisen will, muss sich warm anziehen: Knapp 20 Grad Minus sind angesagt. Der Genetiker Westengen freut sich: "Die perfekte Temperatur für unsere Zwecke."