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Nobuko Kan, japanische Xanthippe

Von Alexander U. Mathé

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Dem Premierminister von Japan macht seine Frau seit Jahr und Tag das Leben schwer. Der Politiker nimmt ihre öffentlichen Demütigungen locker.


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Nobuko Kan ist in Japan für Dreierlei bekannt: erstens für ihre eleganten Kimonos, zweitens für ihr freches Wesen und drittens dafür, dass sie die Frau von Premierminister Naoto Kan ist. Zurzeit macht sie vor allem mit den letzten zwei Punkten Schlagzeilen. In einem Interview erklärte die 65-Jährige, dass sie ihren Mann in einem anderen Leben nicht noch einmal heiraten würde. "Ich habe dieses Leben schon einmal gelebt und kein Interesse, es zu wiederholen", sagte die beliebte Politikerfrau im Gespräch mit der internationalen Presse dieser Tage in Tokio.

Die Aussage ist umso bemerkenswerter, als sie in einem Land erfolgt, in dem Zurückhaltung und Schicklichkeit für gewöhnlich von Kindesbeinen an das Leben des durchschnittlichen Bürgers bestimmen.

Für Naoto Kan sind Angriffe dieser Art freilich nichts Neues. Der Mitte-links-Politiker erklärte stets, die Opposition zu Hause" zu haben und dass seine Frau gleichzeitig auch seine "kritischste Wählerin" sei. Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass Nobuko Kan mit Dreistigkeit und Spitzen gegen ihren Mann auffällt. Gleich nach seinem Antritt als Premierminister schrieb sie ein Büchlein, das in der Folge zum Bestseller avancieren sollte; Titel: "Was zum Teufel wird sich in Japan ändern, jetzt, da Sie Regierungschef sind?". Darin beschreibt sie ihren Mann als jemanden, der nicht kochen kann, dem es an Stil beim Anziehen fehlt und erklärt, dass er unfähig sei, wenn es darum gehe, Vorträge zu halten oder zu improvisieren. Nicht zuletzt bescheinigte sie dem Staatslenker mangelnde Führungsqualitäten. Ihr Mann habe ihr gestanden, dass er es hasse, im Parlament Attacken der Opposition abwehren zu müssen. Das sei für ihn aber nichts im Vergleich zu einer Diskussion mit ihr.

Auch wenn sie den in Meinungsfragen abgestürzten Premier immer wieder sekkiert, hindert ihn das aber nicht daran, die Frau, mit der er seit 40 Jahren verheiratet ist und mit der er zwei erwachsene Söhne hat, als wichtigste Stütze in seinem Leben zu bezeichnen. Und auch Nobuko Kan gesteht sich ein: "Ich verbringe mehr Zeit damit, mit ihm zu schimpfen, als ihn zu loben. Vielleicht sollte ich nicht so streng sein."

Vielleicht ist ja Naoto Kan auch gar nicht so unglücklich über die aktuelle bissige Bemerkung seiner Frau. Denn der dadurch entstandene Rummel dürfte eine willkommene öffentliche Ablenkung für den Premier sein, der gerade dabei ist, sein Kabinett umzubilden. Vielleicht verleiht es dem als beinharten Strategen bekannten Politiker sogar ein menschlicheres Profil oder verschafft ihm die Solidarität so manchen Mannes, der selbst mit seiner Frau zu kämpfen hat.