Schlamassel um Vermögenssteuern - Erbschaftssteuer bleibt für SPÖ am Tisch - Budget auch ohne Reform stark belastet.
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Wien. Nach der Verhandlungsrunde an diesem Samstag hat die Regierung noch 24 Tage Zeit, sich auf eine Steuerreform zu einigen. Nun geht es um die Frage der Gegenfinanzierung, und die hat am Freitag für gehörige Verwirrung gesorgt. Zuerst hatte Wiens Bürgermeister Michael Häupl im "Standard" davon gesprochen, dass Vermögenssteuern nicht unbedingt notwendig seien. Dem folgte am Freitag SPÖ-Obmann und Bundeskanzler Werner Faymann. "Wir wollen ein Ergebnis, dass den Menschen mehr netto vom brutto bleibt und dafür sind wir auch bereit, Kompromisse einzugehen", sagte er.
Die ÖVP freute sich, denn sie lehnt diese Steuern strikt ab. Zu früh, wie sich herausstellte, denn in der SPÖ ist eine Begriffsverwirrung um Vermögenssteuern entstanden. Sowohl Häupl als auch Faymann haben Steuern auf die Vermögenssubstanz gemeint. Vermögenszuwächse sollten allerdings besteuert werden. Dazu zählt die SPÖ allerdings auch die Erbschaftssteuer. "Für einen Erben wächst das Vermögen", so die Begründung. Der "Wiener Zeitung" bestätigte Kanzler-Sprecher Matthias Euler-Rolle daher, dass die Erbschaftssteuer am Verhandlungstisch bleibe:. "Die Verhandlungen in der Steuergruppe müssen nun klären, ob es sich dabei um eine Substanz- oder eine Zuwachssteuer handelt", so ein eher kryptischer Nachsatz des Faymann-Sprechers.
Für die SPÖ ist das allerdings kein Thema, auch Wiens Bürgermeister erklärte am Freitag, er sei "natürlich" für eine "Millionärsabgabe". Diesen Begriff verwendet SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos gerne. Häupl richtete Darabos süffisant aus, dass man aber sagen solle, was dies bedeutet.
Das Erbschaftssteuer-Modell der SPÖ soll etwa 500 Millionen Euro bringen und sieht einen Freibetrag von einer Million Euro sowie Vergünstigungen für Betriebsvermögen vor. Firmen sollen bei Übergabe innerhalb der Familie nicht zerstört werden - die "Wiener Zeitung" berichtete ausführlich darüber in der Freitag-Ausgabe. Eine Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) gibt dem Rückendeckung: 38,4 Prozent der Vermögensungleichheit gehen demnach auf das Konto von Erbschaften. Die Industriellenvereinigung konterte mit dem Vorwurf der Propaganda, Finanzminister Hans Jörg Schelling ortete Uneinigkeit in der SPÖ.
Gewerkschaften sind sauer
Tatsächlich hagelte es aus den eigenen Reihen Kritik an den ersten Äußerungen Häupls und Faymanns. ÖGB-Chef Erich Foglar sagte am Freitag: "Der ÖGB hat keinen Grund, von seinem Konzept abzuweichen." Er zeigte sich auch irritiert darüber, dass die Verhandlungen über die Medien geführt werden. Auch die Sozialistische Jugend kritisiert Zugeständnisse an die ÖVP: "Ich frag mich nur, wo diese 1,5 Milliarden jetzt sonst herkommen sollen, wenn nicht über Vermögenssteuern? Ein neues Sparpaket? Oder erhöhen wir jetzt andere Steuern, um Steuern zu senken?", postet SJ-Chefin Julia Herr auf Facebook.
Unbekannt ist auch noch, ob sich die Regierung auf eine Entlastung von fünf (ÖVP) oder fast sechs (SPÖ) Milliarden einigt. Beides ist eine Herausforderung für die Staatsfinanzen. Der mit der EU vereinbarte Budgetpfad für die kommenden Jahre gibt nämlich strikte Vorgaben: Heuer soll das Gesamtdefizit laut Finanzministerium 1,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. In seiner jüngsten Prognose rechnet das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) aber ohnehin nicht mehr damit, dass Österreich seine mit Brüssel vereinbarten Budgetziele erreichen wird. "Wir haben auch ohne Steuerreform Probleme, den Budgetpfad zu halten", sagt Margit Schratzenstaller vom Wifo.
Budget kommt vom Pfad ab
Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit und des schwachen Wirtschaftswachstums - für heuer werden 0,5 bis 0,8 Prozent erwartet - rechnet das Wifo derzeit mit einem Defizit bis zu 2,9 Prozent für 2015. Und auch das für 2016 vereinbarte Nulldefizit prognostiziert das Wifo erst für 2019.
Bei den Regierungsparteien sieht man das Budget durch die Reform nicht gefährdet. "Ich gehe davon aus, dass das Budget hält, wie es der Finanzminister berechnet hat", sagt ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel bei einer Diskussion am Donnerstag. Und auch sein SPÖ-Kollege Norbert Darabos versichert, dass die Vorhaben den Vorgaben standhalten.
Je nach Modell macht die Steuerreform 1,5 (ÖVP) beziehungsweise 1,8 (SPÖ) Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus und ist noch nicht im Budget berücksichtigt. Aus dem ÖVP-Umfeld werden nun Stimmen laut, zumindest in den ersten Jahren auf einen Teil der Einnahmen zu verzichten, anstatt neue Steuern einzuführen.
Schratzenstaller warnt allerdings, dass das den Staatshaushalt belasten und die Reform so letzten Endes über ein höheres Defizit finanziert würde. Außerdem werde es dauern, bis die geplanten Reformen in Pensions- und Gesundheitssystem, die Abschaffung von Steuererleichterungen und die Verwaltungsreformen fruchten.
Anderseits warnt die Expertin davor, mit neuen Steuern längst überfällige Reformen zu verschieben. Diese würden nämlich nicht die Abgabenquote als solche senken, sondern nur umschichten. "Wir haben jede Menge Ineffizienzen bei den Ausgaben", sagt sie. Auch Rechnungshof-Präsident Josef Moser hat Kritik geübt, er könne derzeit keine klare Gegenfinanzierung sehen.
Schratzenstaller spricht sich deshalb für umfassende Reformen und ein Gesamtkonzept für Öko-Steuern aus. So könnten zum Beispiel Steuererleichterungen für Dienstautos oder Kohle und Gas gestrichen werden. Auch eine Erhöhung der Mineralölsteuer steht im Raum. Aufgrund des sehr niedrigen Ölpreises würde diese die Konsumenten nicht stark belasten. Otto Farny von der AK warnt allerdings, dass Öko-Steuern auch niedrigere Schichten treffen. "Sie zahlen sich dann die Reform selbst."
Die ÖVP betont, dass es sich auch ohne neue Steuern ausgeht. Die Streichung von Begünstigungen und der Kampf gegen Steuerbetrug würden als Gegenfinanzierung ausreichen. Was immer nun als Vermögenssteuer definiert wird: Am 17. März will die Regierung ein Ergebnis vorlegen.