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Der Nachteil der Postmoderne ist, dass sie Widersprüche geradezu magisch anzieht. Vorbei sind, leider, die Zeiten, als ein Problem praktisch schon als gelöst galt, sobald es nur einmal als solches identifiziert wurde.
Die Gnade der eindimensionalen Perspektive ist unserer Zeit nicht mehr vergönnt. Ein Paradoxon nach dem anderen pflastert unseren Weg. Oder, wie der deutsche Soziologe Ulrich Beck in seinem 1986 erschienenen Buch "Risikogesellschaft" geschrieben hat: "Wo sich alles in Gefährdungen verwandelt, ist irgendwie auch nichts mehr gefährlich." Wo gefühlte Risiken sprießen, grassiert Gleichgültigkeit. Kein ganz ungefährlicher Trend für eine marktschreierische Mediengesellschaft. Angeblich sollen ja Raucher, die unaufhörlich von der Gefährlichkeit ihrer Leidenschaft lesen, aufhören - nämlich zu lesen. Geholfen hat es ihnen zwar nichts, schließlich ist der Gesetzgeber für das Versagen an der Informationsfront in die Bresche gesprungen, aber interessant ist dieser Mechanismus allemal.
Was heißt das für die Berichterstattung über die Schulden-Krise, den Siegeszug der Islamisten, den Klimawandel? Politiker, Journalisten und zwischengeschaltete Experten haben mehr gemeinsam, als den meisten lieb sein kann - den beängstigenden Hang, das Feld der Auseinandersetzung den Panikmachern zu überlassen.
Vermutlich, wenn man denn unbedingt immer das Beste im Menschen annehmen will, aufgrund der Annahme, dass nur so das notwendige Problembewusstsein geschaffen werden kann. Nur: Das mag im Mittelalter noch geholfen haben, spätestens in der beckschen Risikogesellschaft ist Aufrütteln per permanente Panikmache eine tatsächlich riskante Strategie. Die Wandlung zum berufsmäßigen Zyniker ist in solchen Situationen nämlich eine nur allzu verführerische Möglichkeit, allerdings wohl eher nur für Nischenprodukte - das gilt für Politiker wie für Medien.
Die bessere Alternative bestünde in beinharter Empirie. Denn die Überprüfung der Realität anhand unbestechlicher Fakten führt zu dem Schluss, dass unsere Welt beständig sicherer geworden ist. Oder mit anderen Worten: Auch die scheinbar unlösbaren Probleme werden immer lösbarer. Auch wenn uns, wie wir dank der prophetischen Gaben Olli Rehns wissen, angeblich nur noch acht Tage Zeit bis zur Errettung bleiben.