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Noch ein Defizit Europas . . .

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Griechenlands Premier Giorgos Papandreou hat seinen Beschluss, eine Volksabstimmung über die geplanten Sparmaßnahmen abzuhalten, nur mit einem kleinen Kreis von Beratern besprochen. Der Finanzminister gehörte nicht dazu. Er feuerte die Militärführung des Landes und stellt sich in der Nacht auf Samstag einer Vertrauensabstimmung im Parlament. Ob das krisenbedingter Tunnelblick ist oder ob die Lage in Griechenland noch bedrohlicher ist als bisher vermutet, wird sich weisen.

Diese Vorgangsweise stürzt die EU ins Polit-Chaos, weil sie ihr Demokratie-Defizit offenbart. Wenn die Griechen über die Sparmaßnahmen abstimmen dürfen, warum nicht die anderen Euroländer über die Hilfe, die sie geben?

Und wenn nun abgestimmt wird, worüber? Wird die Frage lauten: "Sind Sie für die Sparmaßnahmen?" Oder eher: "Sind Sie für einen Verbleib in der EU und der Eurozone?" Für Zweiteres dürfte es in Griechenland wohl eine Mehrheit geben.

Papandreous Ankündigung ist nicht zu lösen vom Verhalten der größten Oppositionspartei, der Konservativen. Diese übten sich bisher in Destruktion und lehnten alles ab - keine Visitenkarte für deren Regierungsfähigkeit.

Und das griechische Referendum wird andere Regierungen gehörig ins Schwitzen bringen: In den Niederlanden gibt es eine Minderheitsregierung, und deren Chef Mark Rutte stieß am Mittwoch bereits auf erbitterte Gegenwehr der Sozialdemokraten. Deren Zustimmung benötigt er allerdings, um die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels umzusetzen. In all den beschriebenen Fällen werden nationale innenpolitische Manöver mit europapolitischen Themen vermengt.

Um dieser Krise Herr zu werden, ist aber eine europäische Vorgangsweise notwendig. Die Regierungschefs, die nun über Papandreou herfallen, wachten selbst mit ihren Beschlüssen eifersüchtig, dass sie das letzte Wort behalten. EU-Kommission und Europäisches Parlament rangieren unter "ferner liefen" . . .

Vermutlich haben alle Eingeweihten den Bürgern immer noch zu wenig klargemacht, wie tief die Krise der EU ist und wie sehr der Wohlstand und die Stabilität Europas bedroht sind. Papandreous Versuch eines Befreiungsschlages mag im ersten Schritt Chaos verbreiten, aber er könnte auch aufrütteln und endlich allen klarmachen, dass es in Europa 5 vor 12 ist. Und dass Europa eine Demokratie ist - und nicht 27.