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Noch ein Jahr Schweigen

Von Jan Michael Marchart

Politik

Für Ende der antiquierten Amtsverschwiegenheit will Josef Ostermayer FPÖ und Grüne gewinnen.


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Wien. Ab 2016 soll jeder Bürger ein Grundrecht auf freien Zugang zu Informationen von Behörden und öffentlichen Unternehmen haben. Sperrt sich ein Beamter dagegen, können die Bürger vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) klagen. Der geplante Entwurf für das sogenannte "Informationsfreiheitsgesetz" aus dem Büro von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) passierte am Dienstag den Ministerrat.

Informationsfreiheit statt Amtsverschwiegenheit. Was bedeutet das? Für alle Bürger soll künftig ein unmittelbarer Zugang zu Information verfügbar sein. Das Amtsgeheimnis darf nur in besonderen Ausnahmefällen beschränkt werden. Etwa wenn es sich um Datenschutz, außen- und sicherheitspolitische oder auch wirtschaftliche Sachverhalte handelt. Vom Gesetz ausgenommen sollen zudem Steuerunterlagen, Krankenakten, Protokolle vertraulicher Sitzungen sowie der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen bleiben.

Offene Kammer

Im Gesetzesentwurf heißt es: "Informationen von allgemeinem Interesse müssen von allen Behörden auf allen Verwaltungsebenen in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise - und zwar bereits ohne ein konkretes Ansuchen auf Zugang zu Information - zu veröffentlichen sein". Diese Regelung soll in Zukunft auch gegenüber Unternehmen gelten, an denen die öffentliche Hand mehr als 50 Prozent hält. Auch Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Landwirtschaftskammer sind künftig auskunftsverpflichtet.

Da das Gesetz unter Verfassungsmaterie fällt und zusätzlich konkrete Gesetze auf Bundes- und Länderebene benötigt werden, wurde seitens der Regierung eine längere Vorlaufzeit eingeplant. Erst mit 1. Jänner 2016 soll das Amtsgeheimnis in seiner gegenwärtigen Form passé sein. Um es endgültig zu beschlossener Sache zu machen, braucht es allerdings noch eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Mit anderen Worten: FPÖ und Grüne müssen noch überzeugt werden und mitziehen. Wobei eigentlich schon die Stimmen der FPÖ-Mandatare ausreichen würden, um hauchdünn aber doch die Zweidrittelmehrheit zu erreichen.

Nachbesserungen gefordert

Doch so leicht wird es nicht: FPÖ und Grüne fordern Nachbesserungen. Beide Parteien begrüßen die Reform des Amtsgeheimnisses grundsätzlich. Aber unzufrieden ist man etwa mit der Möglichkeit, zusätzlich zu den sechs in der Verfassung vorgesehenen Geheimhaltungsgründen weitere Ausnahmen von der Auskunftspflicht einfachgesetzlich zu verankern. Beide Parteien werden nicht für den Entwurf in dieser Form votieren. "Umfangreiche Verhandlungen" werden "unumgänglich sein", meinte der FPÖ-Abgeordnete Philipp Schrangl in einer Aussendung. "Insbesondere eine schrankenlose Ausdehnung der Ausnahmen durch einfachgesetzliche bundes- oder landesrechtliche Regelungen kommt für uns nicht infrage." Die Grünen lehnen den Entwurf ab, sind aber verhandlungsbereit. Für den Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, würde sich der Entwurf nicht von dem vielfach kritisierten Vorentwurf vom März unterscheiden. Da die Regierung aber die Zustimmung der Grünen oder der FPÖ benötigt, sieht er noch Möglichkeiten, Verbesserungen durchzubringen. Anfang 2015 wird die Materie im Verfassungsausschuss diskutiert.

Markante Änderungen in dem im März vorgelegten Begutachtungsentwurf blieben tatsächlich aus. Die von Kritikern geforderte Informationsfreiheitsbehörde wird es zum Beispiel nicht geben. Das hätte man aus dem Grund so entschieden, sagte Ostermayer, da diese Methode lediglich zusätzlichen und vermeidbaren Zwischenschritt sei und das Verfahren in die Länge ziehen würde. Außerdem möchte man die Verwaltung nicht unnötig aufblähen. Denn landen würden die Beschwerden letztlich ohnehin beim Verwaltungsgerichtshof oder der Volksanwaltschaft. Um sich einen eigenen Beauftragten zu sparen, hat man sich an Modellen aus dem Ausland orientiert und gemerkt, dass Österreich diese Lücke mit den derzeit schon verfügbaren Instanzen abdecken kann.

Auch aus der Sicht von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wären damit ohnehin rechtliche Prüfungsmöglichkeiten verfügbar. Der Verwaltungsgerichtshof soll Entscheidungen bei Beschwerden fällen und hat somit die Rolle als Rechtsschutz wie in Slowenien inne. Die Volksanwaltschaft verkörpert die unabhängige Ombudsstelle und Kontrollinstanz und ähnelt damit dem Informationsbeauftragten in Deutschland. Da die Informationsfreiheit künftig ein Grundrecht ist, kontrolliert auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Einhaltung.

Korrelation in der Verfassung

Österreich ist eines der wenigen Länder, die aktuell noch die Amtsverschwiegenheit in der Bundesverfassung verankert haben. Allerdings korreliert diese mit einer anderen Regelung im gleichen Artikel, die vorsieht, dass öffentliche Stellen zur Auskunft verpflichtet sind. Wiederum aber nur auf Antrag und "soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht". Diese Formulierung hat es vielen Behörden ermöglicht, auf Fragen nicht zu antworten.