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Brüssel verschiebt Empfehlungen für weiteres Vorgehen. | Positive Signale aus Ankara zur Rettung der Gespräche nötig. | Brüssel. Die EU-Kommission versucht alles, um den Zusammenbruch der Beitrittsgespräche mit der Türkei zu verhindern. Zwar wird sie heute, Mittwoch, die Reformfortschritte in dem Kandidatenland deutlich kritisieren. Mit Empfehlungen über die Konsequenzen der Versäumnisse - wie eine Aussetzung der Verhandlungen - will sich die Brüsseler Behörde aber noch etwa einen Monat bis kurz vor dem entscheidenden EU-Gipfel im Dezember zurückhalten. So lange habe Ankara Zeit, positive Signale zu senden, hieß es.
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Denn die Kommission ortet in ihrem Fortschrittbericht einen anhaltend zu großen politischen Einfluss der Armee, mangelnde Meinungsfreiheit, zu wenig Minderheitenrechte und weiterhin Fälle von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte, wie die "Wiener Zeitung" berichtete.
Der Knackpunkt sind aber die Beziehungen der Türkei zum EU-Mitglied Zypern. Die EU verlangt die Öffnung türkischer Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Flugzeuge. Ankara will dem aber nicht ohne eine Lockerung der Isolation gegen die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern nachkommen.
Auswirkungen offen
Vermittlungsversuche des finnischen EU-Vorsitzes scheinen bisher im Sand verlaufen zu sein. So hätte der nordzypriotische Hafen Famagusta unter EU-Aufsicht für den internationalen Handel geöffnet werden sollen. Im Gegenzug hätten die Türken mehrere Häfen für die Zyprioten öffnen können. Sollte das bis Jahresende nicht geschehen, droht die EU mit "Auswirkungen auf den Verlauf der Verhandlungen".
Über die Form dieser Auswirkungen kursieren in Diplomatenkreisen unterschiedliche Optionen. Beim kompletten Abbruch der Gespräche, wie es Zypern propagiert, könnte es Jahre bis zur Wiederaufnahme dauern. Das Signal an die Türkei wäre verheerend: Die Nationalisten, die gegen Zugeständnisse an die EU sind, würden weiter gestärkt. So wird bereits überlegt, ob nicht nur jene Verhandlungskapitel auf Eis gelegt werden könnten, die unmittelbar mit der Öffnung der Häfen zusammenhängen. Ein weiterer Vorschlag sieht vor, mit der laufenden Prüfung des türkischen Rechtsbestands fortzufahren, neue Kapitel aber nicht zu eröffnen.
Positiv gewertet wurde indes die Ankündigung des türkischen Premiers Tayyip Recep Erdogan, er könne sich die Entschärfung des umstrittenen Paragrafen 301 vorstellen, der die "Beleidigung des Türkentums" unter Strafe stellt.
Siehe auch Seite 12