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Das Stimmungstief zwischen dem Volk und seinen Politikern ist ehrlich und eine Chance.
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Es dauert manchmal, bis tiefere Wahrheiten sickern. Die längste Zeit etwa wurde, um nur ein Beispiel zu nennen, Winston Churchills Satz von der Demokratie als der schlechtesten aller Regierungsformen, nur dass er eben keine bessere kenne, als brillantes Bonmot betrachtet. Mittlerweile wird deutlich, dass er damit den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Ganz ohne jede Ironie.
Wie so oft bietet sich auch hier das kleine Österreich als Probebühne für ein größeres Schauspiel an. Dass die Bevölkerung den Regierungen ein schlechtes Zeugnis ausstellt, mag im Widerspruch zur üblichen Selbstwahrnehmung stehen, zeugt im Grunde aber von einem gesunden Misstrauen der Menschen gegenüber Mächtigen. Eher neu ist, dass der Opposition fast genauso viel Ablehnung entgegenschlägt. Eine aktuelle Gallup-Befragung ergibt, dass bei den drängendsten Themen keiner Partei echte Problemlösungskompetenz zugetraut wird.
Diese Erzählung nimmt auch der APA/OGM-Vertrauensindex auf, wo die Spitzen sämtlicher Parteien im Minus rangieren. Minus ist quasi das neue Normal. Dazu passt, dass allein Bundespräsident Alexander Van der Bellen sich über einen Platz im gehobenen Vertrauensplus freuen kann, und das wohl auch nur, solange er von seiner Macht die Finger lässt.
Es spricht wenig dafür, dass Österreich in dieser Hinsicht lediglich ein Ausreißer nach unten ist, eher ist es umgekehrt: Demokratien, in denen eine strukturelle Mehrheit der Menschen ihrem politischen Spitzenpersonal vertrauen, gibt es, aber sie sind die Ausnahme. Jedenfalls auf absehbare Zeit.
Das mögen schlechte Nachrichten sein für jenen Schlag von Politikerinnen und Politikern, die vor allem von allen gemocht werden und es deshalb möglichst vielen immer recht machen wollen. Grundsätzlich könnte darin jedoch auch ein Beitrag liegen, bei Bürgern wie Politikern das Sensorium dafür zu schärfen, dass, erstens, Politik ein hartes Geschäft ist, das, zweitens, vorrangig von Persönlichkeiten angesteuert werden sollte, die auch etwas bewegen, verändern oder bewahren wollen; die, kurz gesagt, von Themen und Leidenschaft getrieben sind. Weil nur diese Sorte von Politikern auch mit dem grassierenden Misstrauen, der harten Kritik umgehen kann, der sie - hoffentlich! - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Job begegnen wird.
Womöglich hilft diese Form von Ehrlichkeit dabei, dass irgendwann auch das Vertrauen wieder wächst. Journalisten und ihre Medien sind übrigens bei all dem ausdrücklich mitgedacht.