Zum Hauptinhalt springen

Noch immer kein "rauchender Colt" im Irak

Von Gabriele Chwallek

Politik

Die USA haben im Irak noch immer keine Massenvernichtungswaffen gefunden. Für die demokratische Opposition, die Wahlkampfmunition sucht, steht fest: Die Regierung hat bei der Beschreibung der irakischen Gefahr durch biologische und chemische Waffen, aber auch der Darstellung terroristischer Verbindungen des Saddam-Regimes stark übertrieben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der prominente Senator Robert Byrd, der im Kongress gegen den Irak-Krieg stimmte, sieht gar eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit mit dem Ziel, sich möglichst breite Zustimmung zum Waffengang zu sichern. Es sei schmerzhaft klar geworden, "dass der Irak keine unmittelbare Bedrohung für die USA war", stellte der Polit-Veteran kürzlich fest.

Auch bei Republikanern wächst das Unbehagen. So befürchtet etwa Senator Pat Roberts eine "Glaubwürdigkeitskrise", wenn nicht bald biologische oder chemische Waffen gefunden würden. Aber die Linie der Republikaner ist klar: Sollte die Bedrohungsanalyse vor dem Krieg tatsächlich zu dramatisch ausgefallen sein, dann war das keine böse Absicht der Regierung. Sie habe sich ausschließlich auf Erkenntnisse der US-Geheimdienste gestützt, und wenn diese die Lage falsch eingeschätzt hätten, dann sei das nicht der Regierung anzulasten.

Ermittlungen, ob sich die Geheimdienste in ihrer Einschätzung irrten, sind unter Leitung früherer CIA-Beamten auf Anweisung von Pentagon-Chef Donald Rumsfeld bereits im Gange. Er gab sie schon vor Kriegsbeginn in Auftrag, weil er über widersprüchliche Geheimdienst- Erkenntnisse zu Verbindungen des Bagdader Regimes mit der Terror-Organisation Al Kaida nach Insider-Angaben "irritiert" war.

Heißt es in der Umgebung des Weißen Hauses, die Untersuchung diene nicht der Schuldzuweisung, sondern einer möglichen Verbesserung der geheimdienstlichen Arbeit, sind CIA-Kreise skeptisch. Sie verweisen darauf, dass - wie nach dem 11. September - immer mit dem Finger auf die Geheimdienste gezeigt werde, wenn etwas schief gehe. Tatsächlich laufen die Untersuchungen zu einem Zeitpunkt starker Spannungen zwischen CIA und Pentagon über den Umgang mit Geheimdienstinformationen. Zahlreiche Medien haben in letzter Zeit über Klagen von CIA-Analytikern berichtet, die Bush-Administration - vor allem das Pentagon - habe versucht, sie zu Einschätzungen der irakischen Bedrohung im Sinne der Regierungsposition zu drängen.

Beschwerden über eine "Politisierung" geheimdienstlicher Erkenntnisse nahmen den Berichten zufolge im vergangenen Jahr nach Einrichtung einer eigenen Geheimdienst-Abteilung im Pentagon zu. Wie es heißt, schuf Rumsfeld sie aus "Frust" darüber, dass CIA- Kreise bei der Analyse von Informationen aus dem Irak zu "zurückhaltend" waren. Die Abteilung sammle selbst keine Informationen, sondern prüfe nur Daten, sagte Rumsfeld. Schlimm genug, zitierten Zeitungen wie die "New York Times" CIA-Beamte, die darauf verweisen, dass die Abteilung durchweg mit konservativen Ideologen besetzt und darauf versessen sei, der Regierung nach dem Mund zu reden.

Die Republikaner hoffen vor allem darauf, dass im Irak doch noch der "rauchende Colt" gefunden wird. Sonst sei zu befürchten, dass eine harte Gangart gegen "Problemstaaten" wie den Iran schwerlich plausibel gemacht werden kann, wenn sie auf ähnlichen bisher unbewiesenen Bedrohungsszenarien beruht wie im Irak-Fall.