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Noch kein 10. Schuljahr für Flüchtlinge

Von Christian Rösner

Politik

Viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bei SOS-Kinderdorf haben trotz neuem Gesetz noch keinen Schulplatz in Wien. Der Stadtschulrat hat zu einem runden Tisch eingeladen und will eine Lösung für alle Betroffene finden.


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Wien. "Junge Wienerinnen und Wiener drücken seit rund eineinhalb Wochen wieder die Schulbänke, für zahlreiche junge Flüchtlinge gibt es - leider trotz einer neuen gesetzlichen Regelung - keine Schulplätze", kritisierte der Geschäftsleiter von SOS-Kinderdorf, Clemens Klingan, am Mittwoch. Der Schulstandort Wien habe es nicht geschafft, die notwendigen zusätzlichen Plätze zu schaffen. Beim Wiener Stadtschulrat nachgefragt, erklärte man, dass es zu diesem Thema nächste Woche einen runden Tisch geben wird.

Die Vorgeschichte: Die vor der Sommerpause im Parlament beschlossene Bildungsreform gibt theoretisch im aktuellen Schuljahr auch außerordentlichen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, ein freiwilliges 10. Schuljahr zu absolvieren und so einen Hauptschulabschluss zu erzielen. Geschaffen wurde diese Regelung für junge Flüchtlinge, die in vielen Fällen im ersten Schuljahr in Österreich aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht als ordentliche Schüler geführt werden.

Laut Klingan haben aber nun fast alle Jugendlichen des SOS-Kinderdorfes, die von der neuen Regelung profitieren sollten, keinen Platz für das aktuelle Schuljahr bekommen. "Die betroffenen Schüler hatten alle im vergangenen Schuljahr Plätze in Neuen Mittelschulen, waren dort gut integriert und in Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss", betonte Klingan. Die Schulerhalter, die für einen Platz ihre Zustimmung geben müssen, haben lediglich auf polytechnische Lehrgänge verwiesen. Dort können die Jugendlichen aber keinen Pflichtschulabschluss machen.

Hinzu komme laut Klingan eine große Zahl an jungen Flüchtlingen, die bereits bei ihrer Ankunft in Österreich älter als 15 Jahre waren. Für sie bleibt nach wie vor jeder Zugang zum Pflichtschulsystem verwehrt. "Immer noch fehlt ein bundesweiter Plan, wie jungen Flüchtlingen - unabhängig von ihrem Asylstatus - flächendeckend Zugang zu Bildung und Ausbildung verschafft werden kann", betont Klingan. Die neue Ausbildungspflicht bis 18, die derzeit groß beworben wird, wäre ein erster wichtiger Schritt auch für junge Flüchtlinge gewesen - leider wurde sie nicht ergriffen. Minderjährige Asylwerber sind von diesem Gesetz explizit ausgenommen.

"Finden eine Lösung"

Beim Wiener Stadtschulrat versuchte man zu beruhigen: "Wir werden nächste Woche zu einem runden Tisch einladen, um eine Lösung zu finden, damit die Betroffenen in der gewünschten Weise geschult werden", erklärte ein Sprecher der "Wiener Zeitung". Auf die Frage, ob für jeden interessierten Schüler, jede interessierte Schülerin eine Lösung gefunden werden soll, hieß es: "Davon gehen wir aus."

Wird keine Lösung gefunden, wären die Jugendlichen zum Nichtstun gezwungen, meint Klingan. "Dann bleibt uns als einzige Möglichkeit, eigenständig mit privaten Anbietern Bildungsangebote zu schaffen." Ein Ausbildungsplatz für einen Jugendlichen koste knapp 3000 Euro und das wäre laut dem Geschäftsleiter für SOS-Kinderdorf nur schwer finanzierbar. Eine finanzielle Unterstützung würde zwar helfen - für eine gute Integration der Jugendlichen sei diese Variante allerdings nicht förderlich, da sie in diesen Angeboten unter sich bleiben und keine Anknüpfungspunkte zu österreichischen Jugendlichen haben würden.

Gesetz noch nicht in Kraft

Glaubt man dem Stadtschulrat, wird es aber nicht nötig sein, auf Private zurückgreifen zu müssen. Die Antwort auf die Frage, warum man sich trotz bereits beschlossenem Gesetz erst drei Wochen nach Schulbeginn um das Schicksal der Jugendlichen kümmert, blieb der Stadtschulrat allerdings schuldig. Ein Grund könnte sein, dass es dafür noch keine rechtliche Grundlage gibt. Denn laut Bildungsministerium ist das entsprechende Gesetz noch gar nicht verlautbart worden und somit auch nicht in Kraft getreten.

Nachsatz: "Aber wir haben im Juli noch ein Rundschreiben ausgeschickt, man soll doch bitte mit dem kommenden Schuljahr das Gesetz schon so handhaben, wie es festgeschrieben wurde. Denn die Verlautbarung ist nur eine Formalität - und bezahlen werden wir sowieso hinterher", so die Sprecherin von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid.