Länder für Kindergartenjahr zuständig. | ÖVP-Lehrer stehen hinter Molterer. | Wien. Am Tag nach dem Beschluss des ÖVP-Bundesparteivorstandes gegen die Gesamtschule begannen einige schwarze Schulpolitiker zurück zu rudern. Andere wieder - die schwarze AHS-Lehrergewerkschaft und die schwarze Schülervertretung - zeigten sich darüber erfreut.
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Es gehe nicht um ein Abwürgen der Gesamtschule, sondern um ein "gemeinsames Innehalten und Entwickeln des Fundaments", interpretierte die Leiterin der ÖVP-Perspektivengruppe, Katharina Cortolezis-Schlager das Partei-Nein zur Gesamtschule. Sie kann sich auch ein verpflichtendes letztes Kindergartenjahr vorstellen, das sei aber Sache der Länder.
Tirols Landeshauptmann Herwig van Staa lässt in der "Tiroler Tageszeitung" die Möglichkeit für eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen offen, zumindest auf Landesebene. Dort sollte diese möglich werden, allerdings bei Lehrplanvorgaben durch den Bund.
Der Unterrichtsministerin streute Van Staa Rosen: Er halte Claudia Schmied "für eine kluge und gescheite Frau. Ich freue mich, wenn ich von ihr zu einem Gespräch eingeladen werde." Denn der Landeshauptmann hält eine Diskussion über die Zukunft der Schule für unumgänglich.
Das befanden auch Schüler der sechsten Klasse der Sir Karl Popper Schule in Wien Wieden, einem Schulversuch zur Hochbegabtenförderung. Sie luden am Dienstag Bildungspolitiker zum Diskurs.
In der Organisation liegt des Pudels Kern
Wiens stellvertretender Stadtschulratspräsident Walter Strobl (ÖVP) ist über den Debattenverlauf nicht glücklich: Die SPÖ sei zu früh vorgeprescht, die ÖVP habe mit dem Beschluss, "über den ich persönlich nicht sehr glücklich bin", reagiert. Er plädierte für ein Kurssystem. Das biete stärkere Möglichkeiten zur Individualisierung. "Das Maria-Theresianische Schulsystem, das wir noch immer haben, hat Rasenmäherqualität", sagte Strobl.
Kurt Nekula aus dem Büro der Unterrichtsministerin berief sich auf Erfahrungen aus dem Ausland. "In einem Gesamtschulsystem bleiben die Guten gut, die Schwächsten werden deutlich besser." Durch Förderkurse für Schwache und Zusatzangebote für Begabte werde das Bildungsniveau insgesamt gehoben. Wichtig sei nun einmal ein erster Schritt, denn wissenschaftliche Ergebnisse von Schulversuchen gebe es schon zuhauf.
Auch Martin Graf (FPÖ) hat genug von Schulversuchen. "Da muss man zu einer Lösung kommen, egal wie diese dann ausschaut." Er glaubt sich mit den anderen Diskussionsteilnehmern eins im Ziel: "Der Weg dort hin ist umstritten. In der Schulorganisation liegt des Pudels Kern", sagte Graf und deponierte auch gleich das FPÖ-Nein zur Gesamtschule.
Ein klares Ja zur Gesamtschule kam vom Grünen-Bildungssprecher Dieter Brosz: Vor allem die Länder müssten sich etwas überlegen, denn dort würde die Hauptschule in zehn Jahren ein gröberes Problem bekommen. Bis dahin sinke nämlich der Anteil der Erstklassler um ein Drittel.
SPÖ
Die Gesamtschule wird von der SPÖ seit Jahren mit Vehemenz betrieben und war auch ein zentrales Wahlversprechen. Sowohl Bundesals auch Landesebene stehen hinter Bildungsministern Claudia Schmied, die kurz nach der Einigung auf eine große Koalition den "Einstieg in den Umstieg" in Richtung Gesamtschule ankündigte - auch wenn sie einräumte, dass eine derartige gemeinsame Schule aller Zehn- bis 14-Jährigen nur mittel- bis langfristig umsetzbar sei. Die Ministerin hat eine Expertenkommission eingesetzt, die in einem Jahr Ergebnisse vorlegen soll. Die Wiener SPÖ will bereits ab 2009/10 flächendeckend die gemeinsame Schule einführen.
ÖVP
Die ÖVP ist seit Jahrzehnten prononcierte Gegnerin der Gesamtschule und spricht immer wieder von "Eintopfschule". Am Montag hat der Bundesparteivorstand sogar das Bekenntnis zum differenzierten Schulsystem als Beschluss festgelegt. Dennoch ist die Parteilinie alles andere als eindeutig. Es gibt gewichtige Landeschefs, die eine Gesamtschule befürworten. Dazu zählen in erster Linie die Steirer, aber auch die Landeshauptleute von Tirol, Van Staa, und Oberösterreich, Pühringer, können sich eine gemeinsame Schule vorstellen. Niederösterreichs Pröll will die Schulentscheidung durch Verlängerung der Volksschule hinausschieben.
+++ Die Grünen
Eindeutig ist die Einschätzung bei den Grünen. Sie sprechen sich klar für eine Gesamtschule aus und halten eine solche für geeignet, die soziale Ungleichheit im österreichischen Schulsystem abzumildern. Bildungssprecher Dieter Brosz kann sich eine innere Differenzierung, wie sie ja für die Gesamtschule vorgesehen ist, auch ansatzweise schon in der Volksschule vorstellen.
FPÖ
Die FPÖ ist die einzige Parlamentspartei, die geschlossen gegen eine gemeinsame Schule ist. Sie befürchtet eine "Nivellierung nach unten" und einen "massiven Rückschritt zu einem realsozialistischen Bildungssystem". Wenngleich Bildungssprecher Martin Graf in der Zielsetzung - Begabte zu fördern und schwächere Schüler zu unterstützen - sich eins wähnt mit den anderen Parteien.
BZÖ
Nicht ganz eindeutig ist die Lage beim BZÖ: Einerseits will Kärnten eine Vorreiterrolle bei Modellregionen zur Gesamtschule spielen, Landeshauptmann Jörg Haider unterstützte hier Unterrichtsministerin Schmied gegen Angriffe aus der ÖVP. Parteichef Peter Westenthaler betont dagegen die Wahlfreiheit der Eltern. Skeptisch steht das BZÖ zu einer flächendeckenden Einführung.