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(Noch) kein Mann des Volkes

Von Ina Weber

Politik

Ludwig wird als Nachfolger von Häupl gehandelt. Doch wie kommt er in der Wiener Bevölkerung an?


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Wien. Wenn man die US-amerikanische Serie "Designated Survivor" gesehen hat, weiß man, was aus zunächst unscheinbar wirkenden Wohnbaustadträten bzw. -ministern werden kann. Im Fall der Serie wurde der zwar engagierte, aber zurückhaltende Wohnbauminister Tom Kirkman, gespielt von Kiefer Sutherland, über Nacht Präsident von Amerika. Ausgerechnet der farbloseste Politiker mit dem unbedeutendsten Ressort, der eigentlich schon gefeuert werden sollte, kam zum Zug.

Die Wiener Politik sieht freilich anders aus. Doch auch hier steht ein Wohnbaustadtrat kurz davor, die Nummer eins zu werden, ein eher unscheinbar wirkender Floridsdorfer mit Agenden, die sich nicht zum Machtpoltern eignen. Doch anders als Kirkman in der Serie brachte Ludwig sich bereits vor Jahren in Stellung. Immer öfter trat er in Erscheinung. Sein Richtungsschwenk zur FPÖ hin - "Mir geht es darum, dass man mit allen redet und nach gemeinsamen Schnittmengen sucht" - ließ aufhorchen.

Doch was bringen die Wiener mit Ludwig in Verbindung? "Wenig bis gar nichts", sagt ein Mann bei einem Espresso am Donnerstagmorgen in einem Café im 14. Bezirk. "Das ist doch der Wohnbaustadtrat", sagt er. Als Elektriker kenne er die Situation in den Gemeindewohnungen und damit wisse er eines: Die Politiker würden das eine sagen, die Realität sei aber eine andere. In den Wiener Gemeindewohnungen würden nur noch Menschen leben, die gar kein Deutsch können und dennoch einen österreichischen Pass haben, sagt der Mann kopfschüttelnd. "Unsereins kann jahrelang auf eine Gemeindewohnung warten, wenn wir überhaupt eine kriegen", mischt sich die Caféhausbesitzerin in das Gespräch ein. Ihre Tochter hätte für einige Zeit auf engstem Raum in einer privat gemieteten schimmligen Wohnung leben müssen. Ein Brief an Ludwig habe daran aber auch nichts geändert. Dass Ludwig dennoch in SPÖ-Kreisen auf immer breitere Unterstützung trifft, fasst der Elektriker mit dem Wort "Freunderlwirtschaft" zusammen, und er zitiert den Spruch seines Großvaters: "Die Schweine ändern sich, der Trog bleibt derselbe."

Bei einem Rundgang in Neubau sagen zwei Verkäuferinnen unisono: "Ludwig? Kennen wir nicht. Sagt mir nix." "Aber es muss ja nicht immer jemand aus der Partei sein", fügt eine Frau im Geschäft hinzu. Sie würde sich jemanden von außen als nächsten Bürgermeister wünschen.

Der Mann im Anzug im 1. Bezirk hat keine Zeit für ein Gespräch. Die beiden älteren Damen im Schanigarten eines Caféhauses am Graben schlagen die Hände über den Köpfen zusammen: "Um Gottes willen, wir wollen mit der Politik nichts mehr zu tun haben", lachen sie und winken ab.

In Simmering gibt der junge Mann hinter der Theke eines orientalischen Backshops gerne Auskunft. Ludwig kenne er zwar aus der Zeitung, aber mehr wisse er nicht. Er findet dafür Häupl "super". "Der ist seit 30 Jahren, oder? Super. Ich bin zufrieden, habe Arbeit und die Verkehrsmittel sind gut", sagt er und deutet auf die Simmeringer Hauptstraße hinaus. Eine Pensionistin, die seit 1976 in Simmering wohnt, hält nicht viel von Ludwig als Bürgermeister.

"Unnahbar und abgehoben"

Er wirke "unnahbar" und "abgehoben", sagt sie. Und im Gegensatz zum jetzigen Bürgermeister Häupl sei er kein Mann des Volkes. Was die ehemalige Lehrerin allerdings Häupl vorwirft, ist, dass er sich in all seinen Jahren nicht um den Nachwuchs gekümmert hat. "Er hat viel schleifen lassen", sagt sie. Und er habe Vassilakou viel zu viel durchgehen lassen. Beim Thema Heumarkt hätte er auf den Tisch hauen müssen. Die Grünen hätten kein Weltkulturerbe zerstören dürfen.

"Es ist zu befürchten, dass Blau kommt", so die Pensionistin. "Wir leben in einer der lebenswertesten Städte überhaupt und dann haben wir nur alte Jammerer und Raunzer", sagt sie. Christian Kern sei keine Option, "viel zu intellektuell für Wien", Andreas Schieder wäre für die Simmeringerin eventuell noch denkbar.

Trotz der an diesem Donnerstag getätigten Aussagen von Wienern hat Ludwig beim jüngsten von APA und OGM erstellten Vertrauensindex im Frühjahr Platz eins geschafft. Er wurde in dieser Umfrage zum vertrauensvollsten Wiener Politiker gewählt - gefolgt von Bildungsrat Jürgen Czernohorszky, Michael Häupl und Umweltstadträtin Ulli Sima.

"Diese sichtbaren Tendenzen werden sich jetzt wohl eher verstärkt haben", vermutet OGM-Geschäftsführer Wolfgang Bachmayer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Ludwig und Czernohorszky würden wahrscheinlich weiter zugelegt haben, für Häupl und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou gehe es wohl weiter bergab. Aber warum ist denn Ludwig der vertrauensvollste Politiker? Der OGM-Chef vermutet: "Er passt zu Wien und den Wienern." "Natürlich wäre auch Kern eine Option, aber wahrscheinlich nur für die Bezirke innerhalb des Gürtels." Und die machen eben Wien nicht aus. Die meisten Wiener wohnen im 10., im 22. und im 21. Bezirk. Außerdem sei er damals schon als Kronprinz gehandelt worden und das ziehe bei der Bevölkerung.

Tom Kirkman alias Kiefer Sutherland überraschte. Der farblose Wohnbauminister gewann in seinem neuen Amt mit der Zeit Lob und Ansehen. Er widerstand allen Widersachern, auch wenn er dafür Beharrlichkeit brauchte.

Es ist Zeit - auch für die Wiener SPÖ