SPÖ platzierte ein neues Kern-Video. ÖVP bleibt noch in Deckung.
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Wien. Ist der Wahlkampf jetzt eröffnet? Das wird zwar bestritten, aber die Wahrnehmung besagt anderes. Die SPÖ hat am Freitag über Social Media ein neues Video von Christian Kern hochgeladen. Diesmal kommt man gänzlich ohne Pizza aus, vielmehr erzählt der Kanzler aus seinem Leben, seiner Kindheit in Simmering ("Viel Liebe und wenig Geld"), den Anstrengungen seiner Mutter, damit er ins Gymnasium gehen konnte, und seiner frühen Politisierung durch Bruno Kreisky. Zu Klavierklängen zeigt Kern Familienfotos, dazwischen sind auch Filmaufnahmen aus dem Wien der 60er Jahre zu sehen.
Dass hier bewusst nostalgische Gefühle angesprochen werden, ist offensichtlich - und wohl nicht zufällig. Nostalgie löst nachweislich positive Gefühle aus, so haben zum Beispiel Forscher in Versuchen zeigen können, dass Menschen, die durch Filme und Fotos in nostalgische Stimmung versetzt wurden, solidarischer und hilfsbereiter agierten. Und genau das ist auch die "Kern"-Botschaft des Videos, buchstäblich wie im übertragenen Sinn: Was Österreich ausmache, sagt der Kanzler, sei der Stolz, dass sich Stärkere um Schwächere kümmern. Und: "Miteinander kommen wir weiter." Dieses "Miteinander" wird die SPÖ vermutlich durch die Kampagne begleiten, es wurde jedenfalls mit einem Social-Media-tauglichen Hashtag versehen und auf allen Kanälen verbreitet.
Zuspitzung auf zwei Personen
Der Wahlkampf - hierin sind sich Politikberater einig - wird sich auf die Hauptkontrahenten Christian Kern und ÖVP-Obmann Sebastian Kurz fokussieren. Gut möglich, dass der altbewährte Herausforderer, FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, am Ende zwischen diesen beiden Polen zwar nicht untergeht, aber nicht so reüssieren kann, wie es noch zu Beginn des Jahres angenommen worden war. Zu erwarten ist, dass die Werbestrategen die Personen ins Zentrum ihrer Kampagnen rücken werden - jedenfalls bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.
Die SPÖ hat unterdessen ihr Wahlkampfteam aufgestellt. Bereits Ende vergangener Woche wurde der PR-Berater Stefan A. Sengl engagiert. Sengl ist im Wahlkampfteam für Kommunikation, Werbung und Strategie zuständig. Als Geschäftsführer der Wiener PR-Agentur The Skills Group lässt er sich für die Wahlkampfzeit karenzieren.
Sengl ist bereits wahlkampferprobt. Er leitete 2004 das Wahlbüro von Heinz Fischer für die Bundespräsidentschaftswahl und koordinierte 2010 Fischers Wiederwahl. Als Agentur dürfte GGK Mullenlowe zum Zug kommen. Die Koordinierung und Leitung des Wahlkampfes liegt bei SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. Als externer Berater soll weiterhin Tal Silberstein im Team Kerns bleiben.
Bei der ÖVP hält man sich mit Auskünften noch zurück, es gebe ja auch noch keinen Wahlkampf, heißt es. Sicher nicht an Bord sei der Chef der Kommunikationsagentur Fullberry, Lutz Meyer, der Angela Merkel 2013 zu einem fulminanten Wahlsieg verholfen hat, hieß es auf Anfrage. Das Campaigning Bureau von Philipp Maderthaner wird aber sicher nicht fehlen. Maderthaner hat bereits den Vorzugsstimmenwahlkampf für Kurz 2013 gemanagt. Auch bei der ÖVP wird Generalsekretärin Elisabeth Köstinger die Generalverantwortung tragen.
Und dann spielt natürlich die Industriellenvereinigung bei der Unterstützung von Parteien eine Rolle. Zum einen schickt die einflussreiche Lobbying-Organisation Mitarbeiter in viele Ministerbüros (und zahlt sie auch). Zum anderen arbeiten ihre Experten auch an Parteiprogrammen mit. So haben Industrie-Experten Teile des kommenden FPÖ-Wirtschaftsprogramms verfasst. Auch die Neos kommen in den Genuss der liberalen Expertise, und auch zu den Grünen hält die Industriellenvereinigung Kontakt.
Der Kanzler hat den Ministerrat für kommende Woche abgesagt. Aus seinem Büro hieß es dazu, dass es keine Vorlagen gab und es daher auch keine Notwendigkeit für eine Regierungssitzung.
In der ÖVP sorgte dies am Freitag für Verstimmung. Finanzminister und ÖVP-Regierungskoordinator Hans Jörg Schelling zeigte sich am Freitag über die Absage verärgert und warf der SPÖ Arbeitsverweigerung vor. Als offene Punkte nannte er etwa die Studienplatzfinanzierung, das Sicherheitspaket, die Privatstiftungsnovelle oder die Reform der Finanzmarktaufsicht. Vizekanzler Wolfgang Brandstetter wiederum hätte gerne das Sicherheitspaket mit der SPÖ beschlossen.
Man habe mit dem Vizekanzler und dem zweiten ÖVP-Regierungskoordinator Harald Mahrer vereinbart, Ministerräte nur bei Bedarf und bei entsprechendem Umfang der Tagesordnung abzuhalten, erklärte dazu SPÖ-Regierungskoordinator Thomas Drozda. Da die Tagesordnung der nächsten Regierungssitzung eher dünn gewesen wäre, habe man sich auf die Absage verständigt. "Die Berufung des Honorarkonsuls von Panama und Honduras wird man auch eine Woche später oder zur Not im Umlaufbeschluss machen können", meinte Drozda.
Streit um Ministerrat