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Noch mehr Ausschlüsse von der Amtshaftung

Von Paul Liebeg

Recht
© adobe.stock / merklicht.de

Neben Einlegern oder Gläubigern können wohl auch das Kreditinstitut selbst oder die Konkursmasse keine Ansprüche wegen Fehlern der Bankenaufsicht geltend machen.


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Peter Knobl und Peter Vcelouch haben in der "Wiener Zeitung" am 18. Februar 2022 in ihrem Beitrag "Gegen uferlose Amtshaftung" unter anderem dargestellt, dass nur noch der unmittelbar Beaufsichtigte, etwa das Kreditinstitut, nicht aber Einleger oder Gläubiger Amtshaftungsansprüche wegen Fehlern der Bankenaufsicht geltend machen können. Sie wiesen dabei auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom 16. Dezember 2021, G 224/2021, hin. "Bemerkenswert" ist, so der VfGH, dass der Gesetzgeber eine Haftungseinschränkung in § 3 Abs. 1 Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG) durch eine nähere Definition des Schadensbegriffes vorgenommen hat.

Bemerkenswert ist in dieser Sache mehreres.

Zunächst eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom 14. Dezember 1979, 1 Ob 36/79, in der er völlig überraschend gegen die herrschende Meinung ausgesprochen hat, dass die Aufsicht des Bundes über die Kreditinstitute auch dem Schutze ihrer Gläubiger ("Sparer") dient; ihre Verletzung kann damit Amtshaftungsansprüche begründen. Dabei gelangte der OGH zum selben Ergebnis wie die von ihm zitierte Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) vom 15. Februar 1979, III ZR 108/76.

Deutschland war um Jahrzehnte schneller

Während der deutsche Gesetzgeber bereits 1984 klargestellt hat, dass die Aufsichtsorgane ausschließlich im öffentlichen Interesse tätig sind, hat Österreich dafür circa 30 Jahre benötigt: Erst 2008 (BGBI I 2008/36) erfolgte eine entsprechende Novellierung im § 3 Abs. 1 Satz 2 FMABG ("Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen."), die nun vom VfGH nicht unerwartet als verfassungskonform beurteilt worden ist. Auch der BGH (Entscheidung vom 20. Jänner 2005, III ZR 48/01) hat die vergleichbare deutsche Rechtslage, wonach das dortige Bundesaufsichtsamt die ihm nach diesem Gesetz und nach anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt und zum Beispiel Einlagengläubiger kein ein eigenes subjektives Recht verleiht oder ihnen Haftungsansprüche zuerkennt, als verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklich beurteilt.

Offensichtlich während der anhängigen Verfahren hat die Finanzprokuratur, die sich als Anwältin und Beraterin der Republik Österreich versteht, ein Gutachten zur Beschränkung der Amtshaftung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 FMABG in Auftrag gegeben.

Bemerkenswert sind auch die Ausführungen des VfGH zur zivilrechtlichen Haftung: "Soweit den aufsichtsunterworfenen Rechtsträgern bei der Herbeiführung des Schadens eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen ist, kann der in einem allfälligen Amtshaftungsprozess beklagte Bund den Einwand des Mitverschuldens erheben, der nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch in Amtshaftungsangelegenheiten zu beachten ist. Im Falle des Mitverschuldens sind die ,Verschuldensgrade‘ von Schädiger und Geschädigtem gegeneinander aufzuwiegen (vgl § 1304 ABGB), sodass es zu einer aliquoten Schadensteilung, abhängig vom jeweiligen Grad des Verschuldens, kommt. Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Schadensherbeiführung durch den Geschädigten wird regelmäßig so schwer wiegen, dass fahrlässige Tathandlungen anderer Personen nicht ins Gewicht fallen."

Zivilgericht bei Frage des Mitverschuldens zuständig

Abgesehen davon, dass zur Lösung der Frage, ob ein Mitverschulden vorliegt, das Zivilgericht (nach Durchführung des Beweisverfahrens und Feststellung eines Sachverhaltes, wobei sich auch weitere rechtliche Aspekte ergeben können) und nicht der VfGH zuständig ist, hat der OGH bereits in seiner Entscheidung vom 4. April 2006, 1 Ob 251/05a festgehalten, dass es nicht Zweck der Normen über die Bankenaufsicht ist, Bankunternehmer durch die Ergreifung bestimmter Aufsichtsmaßnahmen vor dem Eintritt eines Vermögensschadens infolge fehlerhafter Geschäftsführung zu schützen. Das gilt auch für die Vermögensinteressen der Mehrheitsaktionäre von Bankunternehmen, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betrieben werden. In zwei weiteren Entscheidungen wurde diese Rechtsansicht bestätigt (OGH 17. Oktober 2006, 1 Ob 142/06y und 28. August 2014, 6 Ob 108/13w).

Mit anderen Worten: Steht dem zu prüfenden Kreditinstitut kein Schadenersatzanspruch zu, kann auch der Masseverwalter dieses Kreditinstitutes einen solchen nicht erfolgreich geltend machen. Das kann zu dem Ergebnis führen, dass für Fehler wegen unterlassener beziehungsweise fehlerhafter Aufsicht der Finanzmarktaufsicht trotz § 3 Abs. 1 Satz 2 FMABG nicht gehaftet werden muss.

Eine andere, sich hier nicht stellende Frage ist, ob Amtshaftungsansprüche dann zu bejahen sind, wenn Bankunternehmer infolge fehlerhafter aufsichtsrechtlicher Eingriffsmaßnahmen einen Vermögensschaden erleiden (vgl. dazu OGH 4. April 2006, 1 Ob 251/05a und BGH 20. Jänner 2005 - III ZR 48/01).

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Paul Liebeg war bis zur Inanspruchnahme der Korridorpension Mitarbeiter der Finanzprokuratur, der Anwältin und Beraterin der Republik Österreich (u. a. Leitender Prokuraturanwalt im Geschäftsfeld I "Arbeit und Soziales").

Paul Liebeg war bis zur Inanspruchnahme der Korridorpension Mitarbeiter der Finanzprokuratur, der Anwältin und Beraterin der Republik Österreich (u. a. Leitender Prokuraturanwalt im Geschäftsfeld I "Arbeit und Soziales").