Am Totenbett wird sogar ein Atheist mitunter noch gläubig - sicher ist eben sicher. In der Politik gibt es einen ganz ähnlichen Trend. Nur nicht in Österreich.
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Im Schatten jenes Trauerspiels, das im Moment die konservativ-liberale Koalition in Deutschland abgibt, rafft sich die ebenfalls auf dem Boden liegende altehrwürdige SPD zum x-ten Anlauf einer großangelegten Parteireform auf.
Die Führung um Parteichef Sigmar Gabriel und dessen Generalsekretärin Andrea Nahles will - verkürzt formuliert - aufgeblähte Gremien straffen, unnötige abschaffen und die Bürger stärker einbeziehen: Vorsitzende sollen künftig auch in Urwahlen unter den Mitgliedern bestimmt werden, bei der Aufstellung von Kandidaten sollen auch Nicht-Mitglieder mitreden können.
Klingt spannend. Offensichtlich muss man als Partei nur tief genug fallen, also quasi dem politischen Tod direkt ins Auge blicken, um plötzlich doch noch von den Vorzügen demokratischer Prinzipien und Ideale überzeugt zu werden. In aufgeklärteren Landen, etwa in den USA oder Großbritannien, gehören parteiinterne Vorwahlen längst zum demokratiepolitischen Mindeststandard.
Was die interessante Frage aufwirft, ob auch hiesige Parteien in der Weisheit der Wähler einen letzten Rettungsanker entdecken werden, der sie aus ihrer elenden Lage befreit. Zumindest befreien könnte.
Die Chancen dafür stehen allerdings erschreckend schlecht. In und um Wien herum, also kurz gesagt in ganz Österreich, sind die Parteien nämlich immer noch davon überzeugt, selbst am besten zu wissen, was gut ist für das Land und seine Menschen. Und wenn die Bürger doch einmal direkt um ihre Meinung gefragt werden (sollen), ist dahinter so offensichtlich ein übergeordnetes parteitaktisches Motiv ersichtlich, dass dadurch fast schon die Intelligenz des Bürgers beleidigt wird.
Doch was spricht eigentlich dagegen, die Reformpläne, die in Deutschland die SPD wälzt, etwa die Urwahl der Spitzenkandidaten durch Parteimitglieder, auch in Österreich zumindest zu diskutieren?
Dagegen spricht zweifellos, dass die sogenannten Königsmacher ihren Fellen beim Davonschwimmen zusehen müssten. Mächtige Landesfürsten etwa könnten dann nicht mehr in halb-öffentlicher Runde darüber schwadronieren, wie viel lieber sie sich doch einen Parteichef von ihren Gnaden halten, als selbst das Joch der Verantwortung tragen zu müssen.
Gewaltig dafür spricht allerdings die Befreiung unserer Bundesparteichefs aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit. Diese könnten sich vielleicht auf diese Art und Weise von den diversen Wünschen und Vorlieben ihrer internen Paten und Förderer emanzipieren. Eine einfache Nationalratswahl scheint das nach den bisherigen österreichischen Erfahrungen nicht bewerkstelligen zu können.