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"Noch scheußlicher als erwartet"

Von Michael Schmölzer

Politik

Union und SPD retten den Koalitionsvertrag über die Ziellinie - Deutschlands Wirtschaft ist mit den Vorhaben alles andere als glücklich.


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Wien. Union und SPD wollen in den kommenden Jahren für neue Dynamik sorgen, die Ausgangslage dafür sei angesichts einer "boomenden Wirtschaft" gut, heißt es in dem Koalitionsübereinkommen. Während die Gewerkschaften in dem Papier "Stärken und Schwächen" erkennen, sind die Größen aus Deutschlands Industrie und Wirtschaft enttäuscht bis entsetzt. Hier ist man weitgehend der Ansicht, dass die Weichen falsch gestellt worden seien.

Der Koalitionsvertrag sei "noch scheußlicher als erwartet", macht der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Oliver Zander, seinem Ekel Luft: "Die Leistungsträger werden enttäuscht und der Sozialstaat explosionsartig ausgeweitet", stößt es ihm sauer auf.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, ist mit dem in langwierigen Verhandlungen Beschlossenen ebenfalls nicht einverstanden: Er konstatiere eine "Schieflage in Richtung Umverteilung anstatt in Zukunftssicherung". Auch fehle der Mut zu "spürbaren Entlastungen und zu Strukturreformen". Der Präsident des deutschen Außenhandels, Holger Bingmann, stimmt in den Chor der Unzufriedenen ein. Es sei ein "Schönwetter-Koalitionsvertrag", der nur dann aufgehe, wenn der Konjunkturboom anhalte und die Verteilungsspielräume weiter wachsen würden.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, ist in seinem Urteil milder: Die Wirtschaft freue sich "über einige gute Zukunftsinvestitionen", sie sei aber besorgt über "teure Zukunftslasten, die insbesondere die Unternehmen treffen". Man habe sich aber "mutigere" Entscheidungen gewünscht. Ein großer Schwachpunkt sei etwa der Verzicht auf Steuerentlastungen - "und das zu einem Zeitpunkt, an dem wichtige Standortkonkurrenten die Steuern senken".

Nach Ansicht des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe" haben Union und SPD ganz klar ein unbrauchbares Fundament gegossen. Hier stört, dass in der neuen Bundesregierung das Innenministerium auch für Bauen zuständig sein soll: "Wir hätten uns etwas anderes gewünscht", so der Verband. Man habe für eine Zusammenführung mit dem Verkehrsressort plädiert, weil es hier mehr Überschneidungen gebe, etwa beim Straßenbau und bei anderen öffentlichen Investitionen.

Zuletzt waren die Ressorts Bauen und Umwelt in einem Ministerium zusammengelegt - was die Bauverbände aber ebenfalls kritisiert hatten.

"Halbherzig und uninspiriert"

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, der vor allem große Unternehmen vertritt, freut sich hingegen bereits auf lukrative Aufträge. Mit den geplanten Investitionen in Infrastruktur und Wohnungsbau gäbe es "richtige Ansätze", heißt es hier.

Der Branchenverband Maschinenbau bekrittelt, dass die Einigung "halbherzig, lustlos und uninspiriert" sei, der notwendige Neuanfang bleibe aus. Stattdessen setzte man "die Politik der alten GroKo fort, mit noch höheren Staatsausgaben und mit noch mehr Regulierung".

Der Bundesverband "Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen" ist mit den Plänen zur Beseitigung des Wohnungsmangels in den Städten nicht einverstanden. Man habe zwar keine Luftschlösser gebaut, aber "das, was jetzt (. . .) herausgekommen ist, ist zu wenig, zu kurzfristig und zu wirkungslos".

Positiv und weitaus milder urteilt der Präsident des deutschen Bankenverbandes, Hans-Walter Peters: Der Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland werde jetzt wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt, die große Bedeutung erfolgreicher Banken für die Realwirtschaft werde gewürdigt.