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Noch viele Fragen offen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

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Die Koalitionsspitze sparte am Dienstag nicht mit großen Worten. Die Reduktion der 21 Sozialversicherungsträger auf künftig maximal fünf nannte Bundeskanzler Sebastian Kurz "eines der größten Reformprojekte in der Geschichte Österreichs". Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein konnte da nicht nachstehen und sprach von einem "sozial- und gesundheitspolitischen Meilenstein".

Die Botschaft dieser Superlative ist zweischneidig, lassen sie doch zumindest zwei Lesarten zu: Die eine beschreibt die Unmöglichkeit von Reformen in diesem Österreich, die andere zielt auf die - vorerst noch behauptete - Schaffenskraft dieser Regierung. So oder so: Die Koalition wird sich an diesen Worten messen lassen müssen.

Die Regierung zielte bei der Präsentation der Eckpunkte der Reform auf die strukturellen Neuerungen. Für die Sozialversicherten, und das sind in Österreich Gottseidank fast alle Bewohner, sind solche organisatorischen Fragen nur Mittel zum Zweck. Wirklich relevant sind hier nur zwei Variablen: Wie entwickeln sich die Beitragszahlungen? Und welches Leistungsangebot steht dem im Bedarfsfall gegenüber?

Die Regierung will mit ihren Maßnahmen in den kommenden fünf Jahren eine Milliarde Euro einsparen und die frei werdenden Mittel reinvestieren. Diese Summe ist relativ zu den gesamten Verwaltungskosten ziemlich viel, gemessen an den Gesamteinnahmen der Sozialversicherung von 62 Milliarden Euro im Jahr 2017 vergleichsweise wenig.

Den Wahrheitsbeweis kann die nun geplante Reform ohnehin erst in etlichen Jahren erbringen. Bis dahin bestimmt der politische Standort den Standpunkt: Während die Vertreter der Wirtschaftsverbände das Projekt begrüßen, was nicht verwundert, weil sie Einfluss gewinnen, beklagen die bis dato dominierenden Arbeitnehmer eine Umfärbung der Gremien.

Das sind nicht die besten Voraussetzungen, um die offenen Fragen der Reform zu lösen. Solche gibt es noch zuhauf; und die Regierung hat das mühsame Aushandeln der Antworten, etwa was die angekündigte Harmonisierung der Leistungen und Beiträge angeht, elegant an die Sozialpartner delegiert. Schließlich bleibt die Selbstverwaltung der Sozialversicherung. Ob das gelingen kann, wenn sich die eine Hälfte der Sozialpartner als Verlierer und die andere als Gewinner der neuen Strukturen sieht? Skepsis ist hier mehr als angebracht.

Für diesen Fall droht der Republik ein heißer Sommer, denn dann wird der Kampf um politischen Einfluss wieder mit populistischen Kampfparolen und der Verunsicherung der Bürger ausgetragen. Die Ärztekammern waren diesbezüglich nicht Ersten, und sie werden auch nicht die Letzten gewesen sein.