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Beim "3D-Printing Forum" in Wien loteten Experten aus, was von der Technologie zu erwarten ist.
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Wien. Was früher Arbeiter in Fabriksanlagen machten, stellen heute Haushalte mit Rohmateriallagern her. Sie erzeugen, was sie wollen, in Eigenregie: Kochtöpfe, Geschirr, Werkzeug und Waschtische, Kleider, Vorhänge, Schuhe und Spielzeug, Fleisch, Käse und Wurst. Nur die Brötchen werden gebacken. Industriegüter wiederum rollen in einer einzigen Manufaktur vom Band: Motorenteile, Armaturen oder Waschmaschinen - und natürlich die Drucker, mit denen alles, ob aus Gips, Kunststoff, Porzellan oder Metall, nach dem gleichen Verfahren schichtweise aufgebaut wird.
Solche und ähnliche Bilder malt sich die Fantasie zur "neuen Industrierevolution" aus, die der 3D-Druck angeblich bringen soll. Doch wird er das? Beim "Austrian 3D-Printing Forum" am Dienstag in Wien waren Experten um ein differenziertes Bild dessen bemüht, was von der Technologie zu erwarten ist. "Wenn im Kontext des 3D-Drucks eine neue industrielle Revolution proklamiert wird, reflektiert das eine maximale Erwartungshaltung", betonte Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung. Für ihn ist das Verfahren "allenfalls eine revolutionäre Erfindung" - die aber in derselben Liga spielt wie Dampfmaschine und Elektrizität, die die letzte Industrierevolution mitermöglicht haben.
"Seit dem Wechsel von der Agrargesellschaft zu Arbeitsteilung und Handel finden Produktion und Konsum nicht mehr am selben Ort statt. Später hat die Globalisierung die Wirtschaftsprozesse total segmentiert", sagt Helmenstein, und: "Der 3D-Druck ist deswegen so spannend, weil er das Potenzial hat, Produktion und Konsum wieder zusammenzubringen."
Ökonomisch seien von dem Herstellungsverfahren Verlagerungen beim Handel mit Endprodukten zu erwarten, sowie der neue Wirtschaftszweig Werkstück-Anleitungen mit dem Berufsfeld all jener, die sie schreiben. Hinzu kämen ingenieurwissenschaftliche, informations- und kommunikationsbezogene Dienstleistungen und Rechtsberatung. Es könnte weniger Fertigprodukte geben und 3D-Druck-Copyshops, die Objekte auf Wunsch anfertigen. Allerdings, räumt Helmenstein ein, "handelt es sich weiterhin um Industrieprodukte. Es verändert sich die Erzeugung, nicht das Konzept Ware."
Jürgen Stampfl, Professor für Werkstoffwissenschaft der Technischen Universität Wien, sieht vielversprechende Anwendungen in Medizin, Fertigungstechnik, Design und Lagerung. So würden an das Ohr angepasste Schalen für Hörgeräte bereits in 3D gedruckt. "Auch in der Implantologie werden Strukturen für künstliche Gelenke, die besser im Knochen verankert werden können, bereits klinisch eingesetzt", sagt er. Zahntechniker würden gedruckte Modelle nutzen und Zahnfüllungen drucken. Die Forschung arbeite am Gewebedruck, etwa für Ohrmuscheln oder Nieren.
"Fantastische Designfreiheit"
"Finanziell ist der 3D-Druck in der Fertigungstechnik spannend, weil er Geometrien ermöglicht, die keine andere Fertigungstechnik kann", erklärt der Werkstoffforscher. Etwa würden derart geschaffene Bauteile für Flugzeug-Triebwerke die Energieeffizienz verbessern. Anders als bei Schraubverschlüssen für Flaschen, die millionenfach erzeugt werden, würde es sich rentieren, kleinere Auflagen zu drucken. Stampfl sieht zudem eine "fantastische Designfreiheit", etwa für die Schmuckindustrie oder bei Stuckverzierungen. Genau diese Designfreiheit würde auch den derzeitigen Hype auslösen, weil jeder theoretisch alles machen kann. Einen praktischen finanziellen Nutzen sieht Stampfl aber eher in der industriellen Lagerung. So sollen Autohersteller künftig nicht mehr das ganze Auto als Ersatzteillager 15 Jahre lang vorrätig haben müssen, sondern Druckanleitungen verkaufen.
"Es wird nicht wie beim Internet alles anders werden", sagt Stampfl: "Der 3D-Druck ist eher ein evolutionärer Prozess aus Digitalisierung und vorhandenen Produktionsprozessen." Mit dem Unterschied, dass Produkte nach Wunsch entworfen und bestellt werden können. Wessen geistiges Eigentum sind diese Dinge? Wer darf sie ausdrucken? Viele Fragen sind noch zu lösen.