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Finnlands Hauptstadt Helsinki sei derzeit wie keine andere europäische Metropole von einer wilden Boom-Stimmung geprägt, schrieb in dieser Woche "Dagens Nyheter" aus dem benachbarten | Stockholm mit einem leichten Hauch von Neid.
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"Wie Pilze nach dem Regen wachsen schicke neue Bars und trendige Restaurants aus dem Boden", staunte der Reporter, notierte "astronomisch hohe" Preise für schicke Immobilien und bot auch gleich
eine einfache Erklärung dafür: "Hinter all dem stehen die fünf Buchstaben N-O-K-I-A."
Kaum war dies erscheinen, meldete sich der finnische Finanzminister Sauli Niinisto und bestätigte in nüchternen Zahlen den blumig geschilderten Eindruck des Korrespondenten. Tatsächlich erlebt das
"Land der tausend Seen" im nordöstlichen Europa in diesem Jahr einen im Vergleich zu fast allen seiner EU-Partner beispiellosen Boom und hat dies weitgehend dem Erfolg von Nokia beim Handy-Verkauf zu
verdanken.
Niinisto korrigierte jetzt die Wachstumsprognose seines Landes für dieses Jahr von 3,9 auf 4,7%nach oben. Der Motor dabei ist nach wie vor unbestritten Nokia. Zwischen 0,6 und einem Prozentpunkt hat
der größte Hersteller von Mobiltelefonen auf der Welt allein im letzten Jahr zum Wachstum von 3,5% beigetragen. 20% aller finnischen Exporte trugen das Nokia-Label · und dieses Jahr soll der Anteil
noch höher sein. Auf Nokia entfallen 60% des Handelsvolumens aller an der Börse in Helsinki gehandelten Werte.
Hin und wieder mahnen Ökonomen, dass die noch weiter zunehmende Abhängigkeit der finnischen Wirtschaft vom Erfolg Nokias erhebliche Risiken in sich berge. Sie verweisen darauf, dass drei Viertel der
Nokia-Aktien sich in Händen von US-Investoren befinden und diese als "Global Player" wohl kaum Rücksicht auf nationale Interessen des kleinen Landes nehmen werden, wenn es nicht mehr so
laufen sollte mit den kleinen Sprechgeräten.
So recht hören mag das in diesen Boom-Zeiten aber kaum jemand. Viel lieber wird von dem sagenhaften Zuwachs an Finnmark-Millionären gesprochen, den Nokia seinem Stammland verschafft hat. Hunderte von
Ex-Beschäftigten in der Kleinstadt Nokia westlich von Tampere zum Beispiel besitzen noch Aktien aus der Zeit, da sie für ihren Arbeitgeber Gummistiefel und später Fernsehapparate produzierten.
Einen Nokia-Betrieb gibt es hier schon lange nicht mehr, aber das Kursfeuerwerk der Nokia-Aktien hat das von Besuchern als überaus trist geschilderte Städtchen zumindest vom zu versteuernden
Einkommen her zu einer Art finnischem Beverly Hills gemacht.
In der Sprache der Konjunkturforscher aus dem Finanzministerium schlägt sich all das in dem Satz nieder: "Die wirtschaftlichen Aussichten für Finnland sind überaus günstig." Der Export werde in
diesem Jahr kräftig um 8,6% wachsen, die Zinsen seien weiter niedrig, und trotz einer für dieses Jahr erwarteten Preissteigerungsrate von 2,2%herrsche bei Privathaushalten und der Industrie "gesundes
Vertrauen" in eine positive Wirtschaftsentwicklung.