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Nokia macht´s wie Conti mit Semperit

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Die Deutschen empfinden die Schließung desNokia-Werkes in Bochum als große Gemeinheit. Die Proteste werden aber nichts ändern. Wir Österreicher wissen das schon. | Nokia-Werkes in Bochum als große Gemeinheit. Die Proteste werden aber nichts ändern. Wir Österreicher wissen das schon. | Unanständigkeit, hässliche Fratze des Kapitalismus, Riesensauerei, Karawanenkapitalismus, Skandal, Vergötterung des Shareholdervalue: Das sind Wortfetzen aus einer gesamtdeutschen Empörung über den Beschluss des finnischen Elektronikkonzerns Nokia, das Produktionswerk in Bochum zu schließen und hauptsächlich nach Rumänien zu verlagern.


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Dort werden die Nokia-Manager unter anderem auf Kollegen des deutschen Autoreifenkonzerns Continental stoßen, der die Semperit-Reifenproduktion in Traiskirchen nach jahrelangen Rationalisierungen im Jahr 2002 beendigt hat, um in Osteuropa billiger zu produzieren.

Der damalige ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch verlangte ein Eingreifen der schwarz-blauen Regierung, doch diese hütete sich. Ihr war gut in Erinnerung, dass beim ersten großen Semperit-Wirbel, der sich 1996 an einem massiven Einsparungsprogramm der Werksleitung entzündet hatte, Bundeskanzler Franz Vranitzky eine in der Form höfliche, im Ergebnis eisige Abfuhr erlitten hatte. Er wollte die Conti-Chefs zum Einlenken bringen und sogar in Japan zusätzliche Aufträge für Semperit herbeischaffen - vergeblich.

Eine ähnliche Panikstimmung wie damals wird sich heute, Dienstag, bei einer geplanten Großdemonstration in Bochum entladen - aber auch das wird nichts nützen. Der globale Kapitalismus kümmert sich weder um Emotionen noch Traditionen.

In Arbeitskräften gerechnet ist der Rückschlag für Nordrhein-Westfalen nicht wesentlich größer, als er es in der Industriezone südlich von Wien war. Dort arbeiteten bis zum Jahr 2002 noch 1400 Beschäftigte, bei Nokia in Bochum sind es, Leiharbeiter eingerechnet, knapp mehr als 3000. In beiden Fällen könnte man hochrechnen, dass einschließlich der Zulieferbetriebe mehrere tausend Jobs betroffen sind bzw. waren.

Es fallen noch zwei weitere Parallelen auf. Nokia hatte sich 1989 in Bochum angesiedelt, als die in Schwierigkeiten geratene Fernsehfabrik Schaub Lorenz günstig zu kaufen war. Continental wiederum hatte die Reifenfabrik Semperit 1985 von der Creditanstalt erworben. Es ist also nicht nur spekuliert, sondern gleichzeitig auch saniert worden. Allerdings flossen parallel dazu erstaunlich hohe Subventionen. Im Fall Nokia beziffert sie der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers (CDU), mit 60 Millionen Euro Landes- sowie 28 Millionen Euro Bundesförderung.

Man könnte die Vorwürfe, die jetzt in Deutschland zu hören sind, einfach aus der Semperit-Geschichte abkopieren, denn es wird zu Recht die Frage nach dem Sinn derartiger Geldspritzen gestellt. Allerdings wird die Analyse des "Subventionstourismus" im aktuellen Fall auf die Ebene der Europäischen Gemeinschaft gehoben, denn das finnische Unternehmen Nokia bleibt ja mit seinem neuen Werk in Rumänien innerhalb des EU-Binnenmarktes.

Also hat sich unter anderem Günter Verheugen, als Deutscher und zugleich EU-Industriekommissar zweifellos kompetent, wenn auch nicht unparteiisch, in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" mit der Forderung zu Wort gemeldet, staatliche Subventionen für Betriebsansiedlungen überhaupt einzustellen. Sollten sich Investitionen nur rechnen, wenn mit Steuergeldern nachgeholfen werde, dann sei das immer ein Risiko, argumentierte Verheugen. Statt privaten Unternehmen Investitionszuschüsse zu geben, sollte das Geld in Bildung, Ausbildung und den Aufbau der Infrastruktur gesteckt werden.

Jedenfalls würde das mehr helfen, als Nokia-Handys zu boykottieren, wie das einige deutsche Politiker propagieren, weil sie sonst tatsächlich nichts machen können.