Beira, Hauptstadt der Provinz Sofala: Eine Stadt mit morbidem, tropischem Charme. | Jahre des Friedens sind Herausforderung. | Nonnen sorgen für Datensicherheit. | Beira. Land unter (braunem) Wasser - so der erste Eindruck von Mosambik beim Landeanflug auf Beira, die zweitgrößte Stadt des südostafrikanischen Landes und Hauptstadt der zentral gelegenen Provinz Sofala. Der Regen sei heuer verspätet gekommen, dafür umso stärker, erklärt Markus Pscheidt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der Koordinator der österreichischen Entwicklungsorganisation "Horizont3000" holt uns am kleinen Flughafen der Hafenstadt ab. "Beira", erzählt er, "war die letzten Tage quasi von der Außenwelt abgeschnitten." An eine kleine Rundreise also nicht zu denken. Auf der Fahrt ins Zentrum, vorbei an Reisfeldern mit tief im Wasser stehenden Arbeitern und vereinzelten Palmen, muss man immer wieder kurz stehen bleiben und den immensen Schauer abwarten. Die Scheibenwischer werden der Wassermassen nicht mehr Herr, die Straße ohne Sicht zu befahren, ist nicht nur wegen der vielen Schlaglöcher einfach zu gefährlich. Zeit also für eine Einführung in Geschichte und Politik Mosambiks.
Jahre des blutigen Bürgerkriegs sind vorbei
Das Land ist seit 1975 von Portugal unabhängig. Den sozialistischen Aufbau unter der Befreiungsbewegung Frelimo (Frente da Libertação de Moçambique) verhinderte ein bald nach der Unabhängigkeit beginnender Terrorkrieg der Renamo (Resistência Nacional Moçambicana), der von ehemaligen portugiesischen Siedlern, von Südafrika und dem damaligen Rhodesien (seit 1980 Simbabwe) unterstützt wurde. Nach Jahren des blutigen Bürgerkriegs wurde Ende der 80er Jahre die sozialistische Wirtschafts- und Entwicklungspolitik aufgeweicht und schrittweise revidiert. Nach der Wende von 1989 kam unter internationaler Vermittlung und internationalem Druck 1992 ein Friedensvertrag zustande, der eine Machtteilung und Mehrparteienwahlen vorsah. Zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung gehörte die Reintegration von 4,5 Millionen Flüchtlingen, intern Vertriebenen und demobilisierten ehemaligen Soldaten, die Rehabilitierung der völlig zerstörten Infrastruktur, die Entminung weiter Landstriche sowie die Schaffung günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Das alles sei ganz gut gelungen, wie der Herausgeber der zweitgrößten Tageszeitung Mosambiks "O Diario", Artur Ricardo, bei einem Besuch in der Redaktion betont. Das "O Diario"-Büro befindet sich im Zentrum von Beira. Anders als die unter südafrikanischen Urlaubern als hip geltende Hauptstadt Maputo besitzt Beira wenig mehr als einen morbiden, tropischen Charme.
Heruntergekommene sozialistische Plattenbauten und schlechte Straßen prägen das Stadtbild im Zentrum, der kleine Fluss ist total vermüllt. Die Einwohner scheint das wenig zu kümmern. "Es wurden Schulen, Spitäler, Straßen, Brücken wiederaufgebaut. Natürlich nicht alles und noch nicht genug. Es wäre nun wichtig, noch mehr ausländisches Kapital für Investitionen ins Land zu bringen. Die Daten zeigen jedenfalls ein, wenn auch geringes, Wachstum. "Die Mehrheit der Mosambikaner ist aber immer noch sehr arm." Ein Blick auf das Human Development Index Ranking, auf die UNO-Entwicklungsrangliste, bestätigt dies eindrücklich: Platz 172 von 182.
Die Jahre des Friedens waren und sind nach wie vor eine riesige Herausforderung für alle Mosambikaner: "Es war nicht leicht, aber es ist uns gelungen, dass sich Nachbarn, die den verfeindeten Lagern der Frelimo und Renamo angehörten und von denen man weiß, dass sie Verwandte erschossen haben, wieder in die Augen blicken können." Man könne trotz der nach wie vor bestehenden politischen Differenzen heute von wahrem und dauerhaftem Frieden sprechen, ist Ricardo überzeugt.
Mit ein Grund, warum Mosambik bei Entwicklungshilfe-Geberländern beliebt ist. Die Stadt Beira gilt gar als NGO-Hochburg. Die Zahl großer Geländewagen mit Aufklebern verschiedener Hilfsorganisationen ist im Vergleich zu privaten Pkws tatsächlich ziemlich hoch. Für Zeitungsmacher Ricardo ist die Hilfe von außen eine ambivalente Sache. "Einige NGOs sind gut, andere weniger, früher gab es noch mehr davon. Manche kultivieren eine Art Nehmerqualität unter den Mosambikanern, sodass die gar nicht mehr arbeiten wollen und nur mehr um Geld bitten."
Markus Pscheidt von Horizont3000 weiß natürlich um diese Problematik, ist aber von seinem Projekt überzeugt. Gemeinsam mit einem einheimischen Team ist der Informatiker an der privaten katholischen Universität Universidade Católica de Mozambique im Bereich Verwaltung und Datenpflege aktiv. "Den Kern des von uns mit entwickelten Programms bilden die Studierenden-Daten. Es steht also alles über die Studenten drin - was sie wie lange studieren, welche Noten sie haben - in einer Zusammenfassung", erklärt der Informatiker Stelio Macumbe. Der mosambikanische Projekt-Partner der EDV-Crew von "Horizont3000" hat nach einer Einschulung durch die österreichischen Kollegen die Datenbank mit programmiert. Was eher banal und einfach klingt, sei für eine universitäre Institution in Mosambik eine Art Revolution, vor allem im Denken, ist Pscheidt überzeugt.
Besonderes Augenmerk auf Datendiebstahl
Natürlich gibt es auch Probleme. Vor allem mit dem Internet. Im schlimmsten Fall, so wie im April, verhindert ein vor der Küste Mosambiks zerstörtes Unterwasserkabel die Verbindung mit der Außenwelt. Auf die Sicherheit, Stichwort Datenklau, habe man besonderes Augenmerk gelegt, betont Macumbe. Eigentlich sei das Datenbank-Programm betrugssicher, meint er, aber man wisse ja nie, wer sich daran zu schaffen macht.
Schließlich seien auch die Fakultäten der katholischen Universität in Beira und in den anderen Städten nicht sicher vor der im ganzen Land grassierenden Korruption. Geldzuweisungen für manipulierte Noten haben schon den einen oder anderen Studentenverwalter zur Datenkriminalität angestiftet. Deshalb werden für sensible Datenbereiche katholische Nonnen eingesetzt. Unbestechliche Ordensfrauen als Anti-Korruptionseinheit in der Noteneingabe? Ja, so könne man das sagen, bestätigt Schwester Selia lachend.
Demokratiepolitisch auf einem guten Weg?
Von der katholischen Universität sind es nur ein paar Schritte zum (braunen) Meer und zur Strandpromenade Miramar. Dort stehen tropisch verramschte bis halbverfallene Kolonialbauten in der nach dem Gründer der Befreiungsbewegung Frelimo benannten baumbestandenen Avenida Eduardo Mondlane. Hier lässt sich erahnen, wie prächtig Beira einst gewesen sein muss. Damals, als der Hafen pulsierendes Zentrum des sogenannten Beira Korridors nach Rhodesien, das heutige Simbabwe, war.
Hier treffen wir Eurique Domingos Danza. Der Hafen Beira hänge nach wie vor direkt von der Exportleistung seiner Nachbarländer ab, erklärt der Journalist. "Heute wird immer weniger Kupfer aus Zambia exportiert, es kommt viel weniger Granit aus dem heruntergewirtschafteten Simbabwe, kaum mehr Zucker aus Malawi und auch aus dem Kongo kommen nur mehr wenige Güter. Außerdem ist der Einfahrtskanal verschlammt, sodass die größeren Schiffe nicht mehr passieren können. Und die Politiker wissen das seit mehr als 15 Jahren." Es gebe, wenn man so will, nur sehr wenig Bewegung in Beira. Danza war mehrere Jahre lang Chefredakteur des Online-Magazins "Pongwe", das von der Vereinigung unabhängiger Journalisten der Provinz Sofala herausgegeben wurde. Wegen seiner investigativen Berichte über Korruption und die Müll- oder Aidsproblematik wurde er von Politikern und Unternehmern mehrfach geklagt. Er habe aber bis heute jeden Prozess gewonnen. Jetzt schreibt der zur Volksgruppe der Sena gehörende 30-Jährige bei der renommierten kritischen Wochenzeitschrift "Savana".
Es sei nicht immer leicht zu schreiben, was man denkt, sagt er. Man werde als unabhängiger Journalist tendenziell als Regierungsgegner eingestuft. "Ich hingegen verstehe mich als kritisch, was aber nicht heißt, dass ich per se gegen die Regierung bin. Dennoch gibt es Probleme: So bekommen unabhängige Medien nicht die gleiche Förderung wie staatliche oder staatsnahe Zeitungen." Dennoch ist Danza überzeugt, dass Mosambik demokratiepolitisch auf einem guten Weg ist. Die grassierende Korruption sei schließlich keine Spezialität seiner Heimat.