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Nonstop von Lissabon bis Tallinn?

Von Jean-Luc Testault

Europaarchiv

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Eine Reise quer durch Europa ohne Halt an den Grenzen wird auch nach der Erweiterung im Mai 2004 vorerst ein Traum bleiben. Die Beitrittsverträge der zehn neuen EU-Mitglieder sehen zwar die Reisefreiheit der Bürger innerhalb der gesamten Union vor, doch die dafür nötigen Sicherheitsvorkehrungen vor allem im Hinblick auf die Außengrenzen sind noch lange nicht abgeschlossen.

Schrittweise in Kraft

Das Schengener Abkommen über den Fall der Innengrenzen, so benannt nach dem Unterzeichnungsort in Luxemburg, trat für die bestehende EU seit 1995 schrittweise in Kraft und erfordert eine verstärkte Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedsländer. Das dazu verwendete Computersystem wäre mit zehn weiteren Staaten überfordert und muss daher erneuert werden.

Größte Sorge der Europäer sind die neuen Ostgrenzen der Union, hinter denen die Staaten der früheren Sowjetunion liegen. Länder wie die Ukraine und Weißrußland sind politisch instabil und wirtschaftlich wenig entwickelt - ein Zustrom illegaler Einwanderer in die EU ist also nicht auszuschließen. Die Sicherheit der Außengrenzen soll daher in Zukunft vom Schengener Informationssystem (SIS) II gewährleistet werden. Aber in Brüssel kann sich niemand vorstellen, dass die Entwicklung der zweiten Stufe dieses Computersystems vor 2007 abgeschlossen ist. In der Zwischenzeit bleibt der EU nichts anderes übrig, als den neuen Mitgliedstaaten bei der Überwachung ihrer Grenzen kräftig unter die Arme zu greifen.

Tausende Grenzkilometer müssen dabei verschärft kontrolliert werden: Allein ein kleines Land wie Slowenien muss 770 Kilometer Grenzen zu seinem Nachbarland Kroatien überwachen. Rund 960 Millionen Euro stellt die EU bis 2006 bereit, um den Beitrittskandidaten ihre Aufgabe zu erleichtern: Die Mittel werden zum Ausbau von Grenzposten, zum Kauf von Fahrzeugen und Hubschraubern, zur Anschaffung von Ausrüstungsgegenständen wie Nachtsichtgeräten oder Computern und zur Ausbildung der Polizisten und Grenzsoldaten verwendet.

960 Mio. Euro bis 2006

Der Erfolg dieser Maßnahmen wird von den gegenwärtigen Schengen-Mitgliedern streng geprüft werden. Sie werden sich zunächst überzeugen, dass das neue Computersystem SIS II gut funktioniert. Dann werden sie die Sicherheit der Außengrenzen unter die Lupe nehmen - und erst nach einem positiven Befund werden sie über die Aufnahme der neuen EU-Mitglieder in den Schengener Raum abstimmen, wobei ein einstimmiger Beschluss notwendig ist.

Eine europäische Reise ohne Grenzstopp dürfte also noch lange auf sich warten lassen. Ohnehin sind nicht alle EU-Mitglieder auch Schengen-Mitglieder. Großbritannien und Irland bestanden darauf, ihre Grenzen zu den anderen EU-Staaten aufrechtzuerhalten. Dafür schließt Schengen Norwegen und Island ein, die ihrerseits keine EU-Mitglieder sind.