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Nord- und Südkorea: Konflikt spitzt sich zu

Von WZ Online

Politik

Ermittler: Südkoreanisches Kriegsschiff wurde von nordkoreanischem Torpedo versenkt. | Pjöngjang weist Vorwurf zurück und warnt vor "totalem Krieg". | Südkorea will UN-Sicherheitsrat zu scharfen Sanktionen bewegen. | Seoul. Zwischen Süd- und Nordkorea haben sich die Spannungen erheblich verschärft: Nach einem Bericht internationaler Ermittler wurde das südkoreanische Kriegsschiff "Cheonan" im März von einem nordkoreanischen Torpedo versenkt. 46 südkoreanische Seeleute kamen dabei ums Leben. Der südkoreanische Präsident Lee Myung-bak drohte Pjöngjang am Donnerstag mit "resoluten Gegenmaßnahmen".


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Pjöngjang wies den Vorwurf, die "Cheonan" mit einem Torpedoangriff versenkt zu haben, energisch zurück und kündigte im Falle einer Vergeltung den "totalen Krieg" an.

Das internationale Ermittlerteam kam zu dem Schluss, dass die Beweise für einen nordkoreanischen Torpedoangriff "überwältigend" seien. "Die Beweise legen ganz klar den Schluss nahe, dass der Torpedo von einem nordkoreanischen U-Boot abgefeuert wurde", hieß es in dem am Donnerstag vorgelegten Ermittlungsbericht. "Es gibt keine andere plausible Erklärung." "Die "Cheonan war am 26. März nach einer Explosion an der umstrittenen Seegrenze mit Nordkorea im Gelben Meer auseinandergebrochen und gesunken Lee wolle an diesem Freitag in Seoul den Nationalen Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung einberufen, um Gegenmaßnahmen zu erörtern.

Landkarte von StepMap

Südkorea will UN-Sicherheitsrat anrufen

Lee sagte in einem Telefonat mit dem australischen Regierungschef Kevin Rudd: "Wir werden entschlossene Gegenmaßnahmen gegen Nordkorea ergreifen, und werden es durch internationale Zusammenarbeit dazu bringen, seine Verbrechen zuzugeben." Einen militärischen Gegenschlag erwägt die Regierung in Seoul aber offenbar nicht, sondern sie könnte den UN-Sicherheitsrat wegen schärferen Sanktionen gegen Nordkorea anrufen. Lee verlangte, Pjöngjang müsse seine Schuld anerkennen und als "verantwortliches Mitglied der internationalen Gemeinschaft" zurückkehren.

Nordkorea wies dagegen jede Verwicklung von sich. Wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf nordkoreanische Medien meldete, warnte Pjöngjang "vor einem Krieg im großen Stil", sollte es neue Sanktionen gegen das Land geben. Der Untersuchungsbericht sei eine "Fälschung". Nordkorea verlangte, die Ergebnisse von eigenen Ermittlern überprüfen zu lassen - was Südkorea umgehend ablehnte. Die Kriegsrhetorik klingt zwar scharf, ist aber vonseiten Nordkoreas nichts Ungewöhnliches. Das international isolierte Regime hat den USA und Südkorea immer wieder mit harten Konsequenzen gedroht.

Auch USA und Japan machen Nordkorea verantwortlich

US-Präsident Barack Obama machte ebenfalls Nordkorea für den Untergang der "Cheonan" verantwortlich und warf dem Land "inakzeptables Verhalten" vor. Japans Regierungschef Yukio Hatoyama nannte Nordkoreas Aktion "unverzeihlich". Auch Großbritannien und die NATO kritisierten Pjöngjang scharf. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon nannte die Ergebnisse der Untersuchung "zutiefst beunruhigend". China, dem als Veto-Macht im UN-Sicherheitsrat eine Schlüsselrolle bei der Verhängung neuer Sanktionen gegen Nordkorea zukäme, rief alle Seiten zur "Zurückhaltung" auf und kündigte an, sich ein eigenes Bild von den Ermittlungsergebnissen zu machen. China ist seit dem Untergang der UdSSR der Hauptverbündete Nordkoreas.

Als Reaktion könnten Südkorea und die USA, die 28.500 Soldaten auf der Halbinsel stationiert haben, gemeinsame Manöver abhalten, sagte ein Experte der International Crisis Group in Seoul. Nach Angaben von Vertretern der USA und Südkoreas ziehen beide Staaten mehrere Möglichkeiten in Erwägung, etwa die Einschaltung des UNO-Sicherheitsrats.

Wrackteile wurden wochenlang untersucht

Experten aus Südkorea, Schweden, Großbritannien, Australien und den USA hatten wochenlang die aus dem Meer geborgenen Beweismittel und Wrackteile der "Cheonan" untersucht. Ihrem Bericht zufolge wurde die 1.200 Tonnen schwere Korvette von einem 250 Kilogramm schweren nordkoreanischen Torpedo versenkt. Die gefundenen Teile passen demnach "perfekt" zu einer Torpedo-Art, die Nordkorea auf dem Rüstungsmarkt angeboten hat. Die Attacke sei vermutlich von einem Mini-U-Boot ausgeführt worden, das mit einem Mutterschiff wenige Tage zuvor aus einem Marinestützpunkt am Gelben Meer ausgelaufen sei.

An der umstrittenen Seegrenze im Gelben Meer ist es in der Vergangenheit wiederholt zu Gefechten gekommen. Die beiden koreanischen Staaten befinden sich völkerrechtlich nach wie vor im Kriegszustand, da auf den Waffenstillstand, der den Korea-Krieg (1950-53) beendete, kein Friedensvertrag gefolgt ist. Die Grenze im Gelben Meer war nach Ende des Korea-Kriegs von US-geführten UNO-Truppen einseitig beschlossen worden. Sie ist die am schwersten bewachte der Welt. Nordkorea erkennt sie bis heute nicht an. Der Untergang der "Cheonan" ist der schwerste Zwischenfall seit einem Nordkorea zugeschriebenen Anschlag auf ein südkoreanisches Passagierflugzeug 1987, bei dem 115 Menschen ums Leben kamen. (APA/apn/AFP/dpa)

Kriegsschiff vor Nordkorea gesunken