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Vorgezogene Neuwahlen sind fix - Großbritanniens geplanter EU-Austritt könnte sich durch die Turbulenzen in Dublin zumindest verzögern.
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Dublin/London. Nach dem endgültigen Kollaps der nordirischen Regierung muss jetzt das Parlament der Provinz aufgelöst werden. Neuwahlen zur Stormont-Versammlung werden für Anfang März erwartet, doch ob sich die im Streit auseinandergegangenen Unionisten und Republikaner danach auf eine neue Regierung einigen können, steht noch sehr in Frage. Das deutet auf unruhige Zeiten für Nordirland hin.
Wachsende Feindseligkeit zwischen der Republikaner-Partei Sinn Fein und der Partei der Demokratischen Unionisten (DUP), die in den letzten zehn Jahren die Regierung trugen, führten am Montag zu einem bitteren Ende aller Kooperationsbemühungen. Sinn Fein machte die DUP-Vorsitzende, Nordirlands bisherige Regierungschefin Arlene Foster, für einen Skandal verantwortlich, der die Steuerzahler eine halbe Milliarde Pfund gekostet hat.
Die Republikaner klagen auch sonst über "Benachteiligung" der irisch-katholischen Bevölkerung Nordirlands und "wenig Respekt" für deren Anliegen. Ihr Top-Vertreter, Martin McGuinness, trat vorige Woche vom Amt des Vize-Premiers zurück und brachte die Regierung so zu Fall. Die Unionisten wiederum wehren sich gegen eine "republikanische Tagesordnung", die ihnen Sinn Fein aufzwingen wolle. Die Beziehungen zwischen beiden Parteien waren seit Jahren nicht mehr so schlecht.
Den Nordiren steht so zunächst ein giftiger Wahlkampf ins Haus, der einer weiteren Versöhnung in der Provinz kaum zuträglich sein dürfte. Danach rechnet man mit ernsten Problemen bei der neuen Regierungsbildung. Nach den Vorgaben des nordirischen Friedensvertrags von 1998 müssen sich die führenden Parteien der beiden Bevölkerungsteile Nordirlands jeweils auf ein Zusammengehen einigen. Kommt keine Einigung zustande, kann es auch keine Selbstverwaltung geben. Verhandlungen um eine neue Form der Selbstverwaltung aber, wie sie einzelne DUP-Sprecher bereits fordern, könnten sich monatelang hinziehen. Ihr Ausgang wäre ganz ungewiss.
Gerichtsverfahren zu Brexit-Prozedere laufen
Und das ist ein Problem zu einem Zeitpunkt, an dem die britische Regierung gerade die EU-Mitgliedschaft aufkündigen möchte. Zwar hat Nordirland-Minister James Brokenshire erklärt, Londons Brexit-Zeitplan ändere sich durch diese neue Krise auf keinen Fall. Premierministerin Theresa May hat ja gelobt, die Kündigung der EU-Zugehörigkeit bis Ende März auszusprechen. Doch im Augenblick laufen gleich mehrere Gerichtsverfahren, die abklären sollen, ob auch Nordirland seine Zustimmung zu dieser Kündigung geben müsste. Wäre das der Fall, würde Britanniens Austritt aus der EU zumindest weiter abgebremst.
Der Brexit überschattet gegenwärtig ohnehin alles in Nordirland und in der Irischen Republik. Hauptsorge ist, dass ein "harter Brexit", wie ihn May offenbar plant, auch eine neue "harte Grenze" zwischen dem Norden und dem Süden Irlands nötig macht. Der Bund nordirischer Polizisten warnte diese Woche, dass an einer solchen Grenze Sicherheitskräfte erneut zu idealen Zielscheiben für bewaffnete Dissidenten würden. Erinnerungen an die Zeit der Troubles - die Jahre des blutigen Nordirland-Konflikts - werden damit wieder wach. Das politische Vakuum in Nordirland und die Ungewissheit wegen Brexit vermehren zurzeit jedenfalls spürbar die Nervosität im Land.