![Eine Illustration einer Frau mit Kopftuch.](https://media.wienerzeitung.at/f/216981/2500x1875/a87666ab3f/wz_podcast_header_fatima_storer.jpg/m/384x288/filters:quality(50))
Bei Misserfolg droht Ende der Selbstverwaltung. | Verhandler haben bis 10. November Zeit. | Belfast. Die Regierungschefs Großbritanniens und Irlands, Tony Blair und Bernie Ahern, unternehmen heute einen neuen Anlauf, die nordirischen Streithähne zu versöhnen. Misslingt der Versuch, dürfte die seit vier Jahren suspendierte Selbstverwaltung Nordirlands bald völlig aufgehoben werden. Diskutiert wird mit den Vertretern der Krisenprovinz - dem Chef der republikanischen Sinn-Fein-Partei, Garry Adams, und dem Führer der Democratic Unionist Party (DUP), Ian Paysley - im schottischen St. Andrews.
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Tony Blair hat vor dem Treffen an die Konfliktparteien appelliert, diese "einzigartige Chance für eine endgültige Lösung" zu ergreifen. "Ich hoffe, dass alle Parteien das verstehen und die Gelegenheit ergreifen, eine demokratische und friedliche Zukunft zu errichten." Er erklärte ausdrücklich, dass die republikanische Seite ihren Beitrag dazu geleistet habe. "Die IRA hat getan, was wir von ihr verlangt haben."
Blair bezieht sich dabei auf einen Bericht der zuständigen Überwachungskommission von vergangener Woche. Diese hatte erklärt, dass die irische Untergrundarmee sich radikal verändert habe. Sie habe einige ihrer wichtigsten Kommandostrukturen aufgelöst, darunter auch ihr Hauptquartier. Die IRA habe auch die Schulung neuer Kämpfer eingestellt. Laut der Untersuchungskommission haben auch die meisten loyalistischen Milizen ihre Tätigkeit eingestellt. Der britische Nordirlandminister Peter Hain hatte daraufhin erklärt, dass dieser Bericht die Grundlage für eine endgültige Konfliktlösung legen werde.
Protestant Paisley
traf den Erzbischof
Auch auf der loyalistischen Seite gibt es Hoffnungszeichen. Paisley, Chef der größten loyalistischen Partei, traf am Montag mit Erzbischof Sean Brady zusammen. Das ist das erste Mal überhaupt, dass sich Protestant mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche in Irland getroffen hat. Hinter den Kulissen wurde gemunkelt, dass die DUP Brady versichert habe, zu einer Teilung der Macht mit den Republikanern bereit zu sein. Voraussetzung sei allerdings die völlige Auflösung der IRA und die Zustimmung von Sinn Fein zur Beteiligung an Polizeiaufgaben. Die größte republikanische Partei lehnt bisher die Beteiligung an der nordirischen Polizei ab. Umgekehrt fordert sie, flüchtigen republikanischen Gewalttätern die Rückkehr nach Hause zu erlauben.
In Nordirland wird nicht erwartet, dass die DUP in St. Andrews einer baldigen Rückkehr in eine gemeinsame Regierung mit Sinn Fein zustimmen wird. Blair und Ahern dürften bestenfalls auf einen gemeinsamen Zeitplan für die Teilung der Macht zwischen Loyalisten und Republikanern hoffen.
Doch die Zeit drängt. London hat noch bis zum 10. November zu entscheiden, ob es beim Plan einer Auflösung der nordirischen Selbstverwaltung bleibt. Die britische Regierung hatte angedroht, das Parlament in Belfast am 24. November aufzulösen, wenn bis dahin keine Regierung aus Loyalisten und Republikanern zustande kommt. Bleibt es dabei, wird Nordirland wieder direkt von London aus regiert. Und das werde alle Nordiren treffen, warnte Sinn-Fein-Präsident Adams seinen Widersacher Paisley.
Der seit 1970 andauernde Nordirlandkonflikt hat insgesamt 1755 Menschenleben gekostet.