Katholiken und Protestanten regieren gemeinsam. | Dublin/Wien. Wenn am heutigen Dienstag die nordirische Lokalregierung angelobt wird, soll ein jahrhundertealter Konflikt beigelegt werden. Ende März bekannten sich die beiden Erzfeinde, der katholische Sinn Fein-Präsident Gerry Adams und der protestantische Parteiführer der DUP, Ian Paisley, öffentlich zu einer lange undenkbaren gemeinsamen Regierung der unruhigen Provinz. Heute soll diese Koalition beginnen.
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Dreißig Jahre Bürgerkrieg, Terror und Hass haben tausende Tote gefordert. Katholische Republikaner kämpften für ein vereintes Irland, protestantische Unionisten wollten unter allen Umständen die Union Nordirlands mit Großbritannien erhalten. Der mehr als zehn Jahre dauernde Friedensprozess erfuhr einige Rückschläge, soll nun aber endgültig in Harmonie enden. Zur feierlichen Angelobung der neuen Minister erscheinen auch der britische Premierminister Tony Blair und sein irischer Amtskollege Bertie Ahern.
Letzter Stolperstein
Der 81-jährige Reverend Ian Paisley, Führer der stimmenstärksten Partei DUP, wird den Regierungsvorsitz übernehmen. Sein Stellvertreter wird Martin McGuinness sein, ehemaliger IRA-Kommandant und seit vielen Jahren Hauptverhandler der republikanischen Partei Sinn Fein.
Die protestantische DUP wird die Ministerien für Finanzen, Wirtschaft, Umwelt und Kultur übernehmen. Die katholische Sinn Fein erhält die Ministerien für Bildung, Regionalentwicklung und Landwirtschaft. Die gemäßigten Unionisten besetzen das Gesundheits- und Arbeitsministerium, die sozialdemokratische SDLP das Sozialministerium.
Doch ein letzter Stolperstein drohte, noch in letzter Minute für eine Verzögerung zu sorgen: Der britische Finanzminister wollte der nordirischen Provinz ursprünglich mit 36 Milliarden Pfund (knapp 53 Milliarden Euro) über die nächsten vier Jahre auf die Beine helfen. Doch der zukünftige Regierungschef Paisley will mehr und drohte noch am Sonntag, dass sein Erscheinen bei der Angelobung nicht garantiert sei.
Lockruf an Investoren
Das Finanzpaket soll Nordirland in Zusammenhang mit der historischen Regierungsbildung nicht nur aus der politischen sondern gleichzeitig aus seiner wirtschaftlichen Krise holen. Zusätzlich verlangen nordirische Industriellenvertreter, dass die Körperschaftssteuer auf den Prozentsatz der Republik Irland gesenkt werden soll. So will die neue Regierung in den nächsten Jahren Investoren aus Europa und den USA in die nun friedliche Provinz locken.
Die Aussicht auf eine Wirtschaftsreform einschließlich der Friedensmilliarden von Finanzminister Brown war wohl auch wesentlicher Grund dafür, dass sich die zerstrittenen Parteien Nordirlands schließlich doch einigten. Bevor es an die harte Tagespolitik geht, wollen sie nun noch so viel wie möglich an finanzieller Unterstützung herausholen.
An diesem Punkt immerhin sind sich die gegnerischen Parteien DUP und Sinn Fein völlig einig. Doch erst der Umgang mit ihren zukünftigen Differenzen wird über den Erfolg der nordirischen Koalitionsregierung entscheiden.