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Beispiel Syrien liefert Hinweis auf globale Atomgefahr. | Rüstungsexperte Fitzpatrick im Gespräch:'Land wie Syrien kann unentdeckt Atomreaktoren bauen' | Wien. Ein geheimes Atomprogramm, an dem Syrien gearbeitet haben dürfte, bereitet dem Westen zunehmend Sorge. Zwar wurde eine Anlage in der Region Dair Alzour im Jahr 2007 von Israel zerstört, von der es heißt, sie habe einen Atomreaktor beherbergt. Doch die Regierung in Damaskus verweigert der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) den Zugang zu verdächtigen Stätten.
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Wegen der delikaten Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Israel ziehen es westliche Politiker und Diplomaten vor, das Thema nicht laut anzusprechen. Die IAEO selbst verweigert derzeit jegliche offizielle Stellungnahme. Während Syrien beharrlich die Anschuldigungen dementiert, ist sein Atomprogramm für viele Experten eine Gewissheit.
"Ganz offensichtlich ist das, was da 2007 von Israel in Syrien zerstört worden ist, eine Atomanlage gewesen", erklärte Mark Fitzpatrick vom Internationalen Institut für Sicherheitsstudien in London.
Die IAEO beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Angeblich wurde bei einer Untersuchung der fraglichen Stätte von Al-Kibar nicht nur Uran, sondern auch Grafit gefunden - beides wichtige Bestandteile eines Atomreaktors. Die Behauptung Syriens, das Material stamme von der Nuklearrakete, die die Anlage zerstört hat, stufte die IAEO als "unwahrscheinlich" ein und forderte weitreichende Untersuchungsbefugnisse.
Hilfe aus Pjöngjang
Dabei geht es unter anderem um den Zugang zu drei weiteren Stätten, in denen der US-Geheimdienst versteckte Nuklearanlagen geortet hat, die dem Versuch dienen könnten, Atomwaffen zu produzieren. "Es ist vorstellbar, dass es nordkoreanische Hilfe für das syrische Raketenprogramm gegeben hat. Das könnte weiter bestehen", sagte Nahost- und Atomwaffenexperte Leonard Spector, stellvertretender Direktor beim Washingtoner Institut für Studien zum Atomwaffensperrvertrag CNS.
Bundespräsident Heinz Fischer erklärte bei dem Besuch seines syrischen Amtskollegen Bashar al-Assad, wie wichtig die volle Zusammenarbeit mit der IAEO sei. Doch Syrien stemmt sich gegen weitere Untersuchungen. Damaskus glaubt, dass die Inspektionen zu Spionagezwecken missbraucht werden könnten. "Wir werden nicht denselben Fehler wie der Irak machen", sagte Außenminister Walid al-Muallim. "Ich kann nicht die Überwachung unserer militärischer Anlagen erlauben." Spector hält den Ansatz für nachvollziehbar: "Wenn ich Syrer wäre, würde ich die Reste des zerstörten Kernreaktors zu meiner sichersten Militärbasis bringen. Es könnte also durchaus sein, dass das, was die IAEO sucht, in einer Militärbasis versteckt ist."
Dass Syrien nach der Zerstörung seiner Anlage weiterhin an einem Atomprogramm arbeiten könnte, halten Kenner für unwahrscheinlich. Einerseits mangelt es an Experten. Andererseits steht das Land nach dem Vorfall von 2007 unter Beobachtung. Spector: "Es dürfte noch weitere nukleare Anlagen in Syrien geben, aber grundsätzlich ist das Programm am Ende."
Auch wenn das Thema in Syrien vom Tisch sein sollte, so ist die Affäre doch bedeutsam für die Entwicklung der globalen Atomgefahr. Denn das Nuklearprojekt wurde vermutlich zur Gänze von Nordkorea entwickelt und gebaut. Pjöngjang, das erneut mit der Wiederaufbereitung abgebrannter Kernbrennstäben begonnen hat, ist offenbar bereit, seine Technologie jedem zu verkaufen, der zahlt. Zu den Hauptkäufern nordkoreanischer Waffentechnologie gehören neben Syrien auch der Iran, Myanmar und bewaffnete Gruppen wie die Hisbollah und die tamilischen Befreiungstiger in Sri Lanka. Da Nordkorea kürzlich aus den internationalen Verhandlungen über sein Atomprogramm ausgestiegen ist, steigt die Furcht, dass das Land wieder auf Verkaufstour ist.
Chronologie6. September 2007: Israel bombardiert eine syrische Anlage in der Region Dair Alzour und erklärt, es habe sich um einen Kernreaktor gehandelt.
Oktober 2007: Die zerstörte Anlage wird von Syrien komplett abgebaut und die Reste beseitigt.
April 2008: Die Sprecherin des Weißen Hauses, Dana Perino, erklärt, dass die USA überzeugt seien, dass Nordkorea ein geheimes Atomprogramm zur Plutoniumanreicherung in Syrien unterstützt habe. Syrien dementiert.
Juni 2008: Syrien erlaubt IAEO-Inspektoren den Ort zu untersuchen. Die Inspektoren finden dort Spuren von Uran und Grafit. Letzteres wird beim Bau von Kernreaktoren verwendet.
Februar 2009: Die IAEO verlangt, weitere Untersuchungen durchführen zu dürfen. Die syrische Regierung lehnt das ab.