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Nordkorea erhöht den atomaren Druck - und die Weltpolitik ist ratlos

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Die internationale Politik ist beunruhigt, die Börsen sind es nicht. Der Nikkei-Index in Tokio schloss sogar mit leichten Gewinnen. Schließlich hat Nordkorea schon 2006 einmal eine Atombombe getestet, meinen die Analysten aus Fernost, nun führe das Regime in Pjöngjang lediglich seine taktischen Spiele fort.


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Jedenfalls gehe von dem neuen Atomtest keine unmittelbare Gefahr aus, sind sich die Experten einig. Sie vermuten, dass die Explosion am Montag den nordkoreanischen Wissenschaftlern deswegen als notwendig erschien, weil die erste im Jahr 2006 die Erwartungen nicht voll erfüllt habe.

Allem Anschein nach war diesmal die Explosionskraft zehn- bis zwanzigmal größer als damals. Damit liegt sie in etwa in dem Bereich, den die 1945 in Japan eingesetzten US-Atombomben hatten. Dennoch dürften noch Jahre vergehen, bis Nordkorea wirklich mit Atomwaffen drohen kann.

Allein dieses Szenario erscheint der Weltgemeinschaft allerdings erschreckend genug. Denn ein Nordkorea mit Nukleartechnologie ist weniger eine Bedrohung für die unmittelbaren Nachbarn als für die Bemühungen um Rüstungsbeschränkungen, die US-Präsident Barack Obama so gerne vorantreiben will. Weil das Regime des Diktators Kim Jong-il permanent an Geldnot leidet, liegt die Versuchung nahe, das bescheidene Wissen an Staaten etwa im Nahen Osten zu verkaufen, die noch nicht über Atomwaffen verfügen.

An Obama richtet sich denn auch vor allem die Botschaft, die Nordkorea mit dem Test und einer Reihe von Signalen in den letzten Monaten aussendet: Die spärlichen Beziehungen zu Südkorea wurden gekappt, der versprochene Ausstieg aus den Atomprogramm wurde rückgängig gemacht. Schließlich schickte das Land im April eine Rakete ins All, vorgeblich, um einen Satelliten auszusetzen - der allerdings nie gesichtet wurde. Die folgende Verurteilung durch den UN-Sicherheitsrat bildete den angestrebten Vorwand, die Sechsergespräche zur Beendigung des Nuklearprogramms aufkündigen zu können. Nordkorea hat stets erklärt, Direktgespräche mit den USA anzustreben, weil die westliche Supermacht für alle Bedrängnis Nordkoreas verantwortlich gemacht wird.

Sollte Obama unter dem atomaren Druck darauf einsteigen und sich womöglich auch zu Wirtschaftshilfe bereit erklären, könnte der sieche Kim Jong-il dies als Erfolg werten. Als Alternative bliebe den USA nur, weiterhin China dazu zu drängen, schärfere Töne gegenüber seinem Nachbarland anzuschlagen. Bisher war die Hoffnung darauf vergeblich, Peking steht aber Obama aufgeschlossener gegenüber als seinem Vorgänger.

Von seinem Atomprogramm würde Nordkorea zwar dennoch nicht lassen, glauben viele Experten. Vielleicht könnte es aber auf seinem Weg zur Atommacht zumindest gebremst werden.