Das Regime in Pjöngjang ist erzürnt über Forderungen aus Washington und ein Militärmanöver der USA mit Südkorea.
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Washington/Seoul. Einen provokanteren Vergleich hätte John Bolton gar nicht wählen können: Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump verkündete, dass das "libysche Modell" auch auf Nordkorea angewandt werden könnte. Der nordafrikanische Staat hatte vor 15 Jahren unter Muammar al-Gaddafi einer Zerstörung seiner Massenvernichtungswaffen zugestimmt, wenn die internationalen Sanktionen aufgehoben würden. Später wurde Gaddafi dann mithilfe einer vom Westen angeführten militärischen Intervention gestürzt.
Genau das Beispiel Libyen wurde von der nordkoreanischen Führung immer wieder als Grund genannt, warum man Atomwaffen brauche. Den USA sei demnach nicht zu trauen, und wer sich nicht genug vor Washington schütze, dem drohe ein militärischer Angriff der USA, wenn diese einen Regimewechsel erzwingen wollen.
"Die Welt weiß sehr gut, dass wir nicht Libyen oder der Irak sind, die ein bedauernswertes Schicksal ereilt hat", verkündete Nordkoreas Vizeaußenminister Kim Kye Gwan. Und außerdem: "Es ist absolut absurd, die Demokratische Volksrepublik Korea, einen Atomstaat, mit Libyen zu vergleichen, das erst am Anfang seines Nuklearprogramms stand."
Geplatzte Euphorie
Nordkorea hat deshalb eine Drohung ausgestoßen, die all die Euphorie der vergangen Tage ob der Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel wie einen Luftballon platzen ließ: Das Regime in Pjöngjang überlegt, das für den 12. Juni in Singapur angesetzte Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un platzen zu lassen.
Bolton, der, wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, "über den bevorstehenden Gipfel spricht, als wären es Kapitulationsverhandlungen", hat bereits ganz klar die Bedingungen der USA definiert: Der als Falke und Hardliner bekannte Politiker, der schon in der Vergangenheit von Nordkorea als "Blutsauger" bezeichnet wurde, forderte, dass Pjöngjang sofort, nachweisbar und vollständig seine Atomwaffen vernichte. Erst dann würden die Sanktionen der USA gelockert werden.
"Wir sind nicht länger an Verhandlungen interessiert, deren Ziel lediglich ist, uns in eine Ecke zu drängen", verkündete daraufhin Nordkoreas Regime. Wenn die US-Regierung dagegen den Gipfel mit ehrlichen Absichten plane, wolle Pjöngjang angemessen reagieren. Prinzipiell sei es aber eine irrige Annahme, dass Nordkorea sein Atomprogramm im Tausch für Handel mit den USA aufgeben werde.
Ein hochrangiges Treffen mit einer südkoreanischen Delegation hat Nordkorea am Mittwoch bereits platzen lassen. Bei diesem hätte darüber verhandelt werden sollen, wie die Beschlüsse des innerkoreanischen Gipfels zwischen Kim Jong-un und Südkoreas Präsidenten Moon Jae-in konkret umgesetzt werden. Bei dem Gipfel waren ja unter anderem wirtschaftliche Kooperationen, Treffen zwischen in Nord und Süd getrennten Familien und ein Friedensvertrag, der den Korea-Krieg (1950-53) formell beendet, als Ziele ausgegeben worden.
Doch Nordkorea ist nun erzürnt über ein gemeinsames Militärmanöver von Südkorea und den USA. Diese Manöver finden regelmäßig statt, und stets betrachtet sie Nordkorea als Affront. Die vom 14. bis 25. Mai angesetzte Militärübung sei Routine und defensiv, sagte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Das Regime in Pjöngjang vertraut dem nicht und ist der Überzeugung, dass solche Manöver auch dazu dienen, einen Angriff auf Nordkorea zu simulieren.
Hin und Her als Taktik
Nachdem Kim Jong-un mit dem Jahresbeginn eine Charmeoffensive gestartet hatte und zu vielen Konzessionen bereit war, kommt die nun vollzogene Kehrtwende in ihrer Deutlichkeit doch recht plötzlich. Kim Jong-un steht damit aber ganz in der Tradition seines Vaters. Auch Kim Jong-il hat immer wieder Annäherung signalisiert, um dann plötzlich wieder Drohungen auszustoßen. Die Sprunghaftigkeit gehörte immer schon zum Repertoire der nordkoreanischen Politik - genau so wie die Täuschung. So hatte Kim Jong-il sein Nuklearprogramm für beendet erklärt, um es heimlich weiterzuführen. Deshalb besteht nun auch Zweifel, was von Kim Jong-uns Ankündigung, sein Atomtestgelände zu zerstören, tatsächlich zu halten ist.
Mit seiner Kehrtwende will Kim Jong-un nun offenbar den Spieß umdrehen. Trump hatte verkündet, dass er aufstehen und das Treffen mit Kim wieder beenden werde, wenn dieses nichts bringen werde. Nun stellt plötzlich Nordkorea Bedingungen, damit dieser Gipfel überhaupt stattfindet. Unklar ist aber, ob Pjöngjang das Treffen tatsächlich platzen lassen würde oder nur um eine bessere Verhandlungsposition feilscht. Die USA verkündeten, dass sie an den Vorbereitungen zu dem Gipfel festhielten. Gleichzeitig betonte Trump, dass er auf einer Denuklearisierung beharre.
Offenkundig ist, dass Nordkorea seine Pflöcke einschlägt. Die atomare Abrüstung, wenn es jemals dazu kommt, wird nicht billig zu haben sein. Pjöngjang wird, auch wenn es das derzeit abstreitet, wirtschaftliche Gegenleistungen verlangen - und das schnell, während die USA den Sanktionsdruck aufrecht erhalten wollen.
Positionen weit auseinander
Beim innerkoreanischen Gipfel war von einer "Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel" die Rede, und das ist sehr schwammig formuliert. Die Empörung über das Militärmanöver ist ein Hinweis darauf, dass Nordkorea auch die mehr als 30.000 in Südkorea stationierten US-Soldaten zur Verhandlungsmasse machen will. Es ist kaum vorstellbar, dass Pjöngjang sein Nuklearprogramm aufgibt, während US-Soldaten an seiner Grenze stehen. Die USA haben diese aber nicht nur zum Schutz des südkoreanischen Bündnispartners stationiert, sondern wohl auch mit Blick auf die aufsteigende Weltmacht China. Die jüngsten Verwerfungen haben daher, nach den Tagen der Hoffnung, nun deutlich gemacht, wie weit auseinander die Positionen noch liegen.