Das atomare Aufrüsten Nordkoreas lässt Südkorea näher an seine westlichen Verbündeten heranrücken. Auch an die EU.
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Er wolle auf konstanter Basis "extremes Unbehagen und Furcht" beim Feind erzeugen, hat Kim Jong-un erst kürzlich verkündet. Mit diesen Worten feierte Nordkoreas Diktator, dass es seinem Land nach eigenen Angaben gelungen ist, eine neuartige ballistische Interkontinentalrakete des Typs Hwasongpho-18 zu entwickeln. Damit hätte es Nordkorea geschafft, eine Trägerrakete für Atomwaffen zu entwickeln, die mit Feststoffantrieb betrieben wird, was diese wiederum besondres schnell einsatzfähig macht. Nordkorea würde dadurch sein Drohpotenzial gegenüber seinen Feinden tatsächlich massiv erhöhen. Die Feinde: Das sind Südkorea und die USA.
Somit war die Sicherheit - neben der Stärkung einer Partnerschaft zum Klimaschutz - eines der bestimmenden Themen beim EU-Südkorea-Gipfel am Montag in Seoul. Der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilten die nordkoreanischen Raketentests - die kommunistische Diktatur ist in den vergangenen Monaten wieder wesentlich aggressiver geworden und hat immer wieder Raketen ins Meer gefeuert. Aber nicht nur das: Die beiden Seiten haben auch beschlossen, einen strategischen Dialog über Sicherheitsfragen zu lancieren, der zu einer Sicherheitspartnerschaft werden soll.
Vielleicht Waffen für Ukraine
Im Hintergrund steht dabei auch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine: Südkorea ist hier klar auf der Seite der westlichen Demokratien, hat Russlands Aggression verurteilt und steht der Ukraine mit Hilfslieferungen zur Seite. Darüber hinaus hat das ostasiatische Land Panzer und Haubitzen an den ukrainischen Verbündeten Polen verkauft. Der Ukraine wollte Südkorea, das selbst von Nordkorea bedroht ist, bisher keine Waffen liefern. Doch selbst das könnte sich nach einem Treffen von Präsident Yoon mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj am Rande des G7-Gipfels im japanischen Hiroshima ändern.
Südkorea ist, wie freilich auch die Ukraine, nicht Mitglied der G7 (diese bestehen aus den USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien), war aber als Gast geladen. Yoon gedachte in Hiroshima auch gemeinsam mit Japans Premier Kishida Fumio den Opfern des US-Atombombenangriffs auf die Stadt 1945. Das wurde als historische Geste gewertet, war es doch das erste Mal, dass dies ein japanischer Regierungschef und ein südkoreanischer Präsident gemeinsam machten.
Südkorea hat eine äußerst heikle Beziehung zu Japan: Von 1910 bis 1945 war Südkorea eine japanische Kolonie. Vor allem die Entschädigung der Opfer von Zwangsarbeit und Zwangsprostitution ist bis heute ein umstrittenes Thema. Doch Präsident Yoon hatte schon bei Treffen mit Kishida im Vorfeld des Gipfels betont, dass ungelöste historische Streitigkeiten der Annäherung der beiden Länder nicht im Wege stehen sollen.
Damit schlagen sich auch in der Beziehung dieser beider Länder die geopolitischen Verschiebungen nieder, die der Ukraine-Krieg, der Aufstieg eines immer aggressiver auftretende Chinas und der damit einhergehende Machtkampf zwischen der Volksrepublik und der USA hervorgerufen haben. Die den westlichen Demokratien zuzurechnenden Länder rücken auch in Asien immer enger zusammen.
US-Präsident Joe Biden lobte auch die Annäherung zwischen Seoul und Tokio. Südkorea wiederum ist darum bemüht, mit Blick auf Nordkorea die Kontakte zu den USA nochmals zu stärken. Beim letzten Besuch von Yoon in Washington vereinbarten die beiden Länder eine engere militärische Kooperation, beschlossen wurde laut US-Regierung eine sichtbarere Stationierung strategischer amerikanischer Ausrüstung.
Zudem warnte Biden, ein Atomangriff gegen die USA oder seine Partner würde "das Ende jedes Regimes bedeuten, das eine solche Aktion durchführen würde". Genau so eine Versicherung wollte man in Seoul hören. Nachdem nordkoreanische Atomraketen mittlerweile vielleicht sogar US-Städte erreichen können, waren in Südkorea Sorgen aufgekommen, wie sehr die USA noch bereit sind, Südkorea zu verteidigen. Mehr als 60 Prozent der Südkoreaner plädieren laut Umfragen mittlerweile sogar dafür, dass das Land selbst Atomwaffen entwickelt. Die Regierung in Seoul verzichtet, in Abstimmung mit den USA, aber darauf.
China ist erzürnt
Die stärkere Anbindung Südkoreas an die USA und Japan hat aber wiederum China erzürnt, dass diese Schritte als strategischen Fehler bezeichnet. Für Zorn in Peking sorgte kürzlich auch eine Aussage von Yoon. Die Taiwan-Frage "ist nicht nur eine Angelegenheit zwischen China und Taiwan, sondern - genauso wie Nordkorea - eine globale ", sagte der Präsident der Nachrichtenagentur "Reuters". Damit wich er von einer jahrzehntelangen Haltung südkoreanischer Regierungen ab - dass nämlich die Taiwan-Frage eine Angelegenheit zwischen der Volksrepublik und Taiwan sei. Es folgte scharfe Kritik, von chinesischen Diplomaten und Medien. Für Seoul ist das heikel: Nicht nur ist die Volksrepublik ein Verbündeter Nordkoreas. Darüber hinaus ist für Südkoreas Exportwirtschaft der chinesische Markt enorm wichtig.