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Wie die "Panama Papers" nahelegen, hat Nordkorea mittels einer Briefkastenfirma sein Atomprogramm ausgebaut.
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Seoul. Als Nigel Cowie im Jahr 2000 von einem amerikanischen Reporter gefragt wurde, ob er nicht lieber in einem Bürohochhaus in New York, Hongkong oder Singapur arbeiten wollen würde, winkte er entschieden ab. "Das hier macht doch viel mehr Spaß", sagte der Brite - und meinte damit Nordkorea.
Sein Büro befand sich damals in einem baufälligen Hotel in der Hauptstadt Pjöngjang, die Firma beschäftigte gerade einmal drei Mitarbeiter. Doch Cowie war von jener Sorte abenteuerhungriger Investoren, die in Nordkorea nicht nur den fehlenden Rechtsstaat und mafiöse Geschäftspraktiken sahen, sondern zuallererst die unbegrenzten Möglichkeiten: unerschlossene Märkte, Hoffnung auf Wirtschaftsreformen, Faszination des Pionierdaseins. Nach dem Studium in Edinburgh sammelte der Brite bereits in Hongkong erste Asien-Erfahrung, bevor er schließlich 1995 nach Pjöngjang zog. Dort lernte er fließend Koreanisch und blieb bis 2011. Der heute 53-Jährige arbeitete für die erste ausländische Bank in Nordkorea, die Daedong Credit Bank. Später übernahm er dessen Leitung.
Mossack Fonseca trug Kapitalgesellschaft ein
Die "Panama Papers" zeigen nun die Verstrickungen von Cowie mit Nordkoreas Atomprogramm: 2006 hat der Banker eine Ablegerfirma der Daedong Credit Bank auf den Jungferninseln eröffnet, gemeinsam mit dem hochrangigen Parteikader Kim Chol-sam, der mittlerweile auf der schwarzen Liste der US-Sanktionen steht. Die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca in Panama, von denen die geleakten Dokumente stammen, trug damals die Kapitalgesellschaft ein. Nach eigenen Angaben hat sie dabei die Verbindungen zu Nordkorea übersehen, obwohl Cowie sogar seine Pjöngjanger Adresse angegeben hatte. Später ließ er noch eine zweite Briefkastenfirma registrieren, die angeblich in Zusammenarbeit mit dem nordkoreanischen Kulturministerium bei der Herstellung von CD- und DVD-Spielern half. Auch diesmal winkte das die panamaische Anwaltsfirma durch.
Brenzlig wurde es, als Nordkorea im selben Jahr seinen ersten Atomtest - von bis zum heutigen Tage vier - gezündet hatte. Die internationale Gemeinschaft reagierte entsetzt und die Vereinten Nationen verhängten umgehend Sanktionen, die vor allem die Waffengeschäfte und den Import von Luxusgütern betrafen. Nordkoreanische Konten wurden eingefroren, Einreisebestimmungen verschärft. Die Daedong Credit Bank wurde jedoch erst im Jahr 2013 von den US-Sanktionen direkt getroffen. Zu diesem Zeitpunkt war Cowie bereits nach Südkorea gezogen.
Doch bereits 2006 sah es das US-Finanzministerium als erwiesen an, dass der Bank-Ableger auf den Jungferninseln im Auftrag von Nordkoreas wichtigstem Waffenhändler Finanzdienstleistungen ausgeführt haben soll, um die Sanktionen zu umgehen. Diese sollen auch beim Ausbau des illegalen Atomprogramms geholfen haben. Von Cowies Anwalt heißt es lapidar: "Mein Mandant war und ist sich bis heute nicht bewusst, dass Transaktionen mit einer sanktionierten Organisation gemacht wurden."
1982 eröffnete Nordkoreaeine Bank in Wien
Dabei gab es in der Vergangenheit immer wieder europäische Verstrickungen in dubiose nordkoreanische Geschäfte - auch vor der heimischen Haustür: 1982 etwa eröffnete Nordkorea seine einzige Bank auf europäischen Boden ausgerechnet in Wien. Die Golden Star Bank soll laut einem Bericht vom Innenministerium aus dem Jahr 2003 "in Geldwäschereien, Spionage, Verbreitung von Falschgeld und illegalem Handel mit radioaktiven Substanzen" involviert gewesen sein. Im Folgejahr musste sie schließen.
Bereits seit einigen Jahren ist bekannt, dass Überwachungstechnik "made in Germany" den nordkoreanischen Grenzbeamten dabei hilft, Flüchtlinge zu verfolgen. Zeugenaussagen von Nordkoreanern legen nahe, dass es sich dabei um den Münchener Elektronikkonzern Rohde und Schwarz handeln könnte. Deren Pressestelle möchte sich nicht dazu äußern, wie ihre Produkte nach Nordkorea gelangt sind. Man könne "nicht im Detail Auskunft zu unseren Exportgeschäften geben", heißt es dort.
Laut Nordkorea-Experte Christopher Green von der Universität Leiden handelt es sich dabei vermutlich um einen Re-Export von chinesischen Firmen nach Nordkorea. Doch selbst ein direkter Export wäre nicht notwendigerweise illegal, denn die Sanktionsbestimmungen der EU lassen bei Funktechnik gewisse Schlupflöcher offen - weil das Gros an Produkten auch zweckentfremdet verwendet werden kann.
Nicht zuletzt sorgen die nordkoreanischen Arbeiter für Kontroversen, die das Kim-Regime ins Ausland exportiert, um Fremdwährung ins Land zu holen. Weil diese den Großteil ihres Lohnes an ihre Vorgesetzten abgeben müssen und unter harten Bedingungen schuften, werden sie in den Medien meist als Zwangsarbeiter tituliert. Tatsächlich jedoch sind die Auslandsstellen für Nordkoreaner derart begehrt, dass sie meist nur durch Protektion und Bestechungen zu bekommen sind. Hauptsächlich arbeiten die Arbeiter als Holzfäller in Russland oder auf chinesischen Baustellen, aber schätzungsweise gibt es auch rund Tausend mitten in der EU: auf Malta, in Polen und Tschechien.