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"Nordkoreas militärische Stärke wird überschätzt"

Von Alexander Dworzak

Politik

Experte Andrew Feinstein über das Wettrüsten in Nordkorea und Asien.


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"Wiener Zeitung": Sind Sie von Nordkoreas Raketenstart überrascht?

Andrew Feinstein: Ja, es war überraschend angesichts des misslungenen Tests vor einigen Tagen. Wichtiger ist aber die politische Dimension: Mir scheint die Machtfrage zwischen Kim Jong-un und den Militärs noch nicht endgültig geklärt.

Welches Signal sendet Nordkorea an seinen südlichen Nachbarn und Japan?

Unter Kim Jong-uns Vater sendete Nordkorea starke Signale, wenn es internationale Hilfe und Lebensmittel benötigte. Es könnte sein, dass es diesmal nicht anders ist.

Spielt der Inselstreit zwischen Japan und China auch eine Rolle, nach dem Motto "Vergesst nicht auf uns"?

Möglicherweise auch. Auch hier hängt es davon ab, inwiefern sich Kim Jong-un als neuer Führer beweisen muss. Eine Gefahr ist Nordkorea aber eigentlich nicht.

Warum nicht?

Die militärische Stärke des Landes wird überschätzt, sowohl von der Führung selbst als auch außerhalb, insbesondere von den USA. Unter Ex-Präsident George W. Bush zählte Nordkorea zu den fünf erklärten Feinden der Vereinigten Staaten - ein Umstand, von dem nicht zuletzt die Waffenindustrie profitierte. Deren vorrangiges Ziel sind große Verkäufe in finanziell schwierigen Zeiten. Der Kreislauf zwischen Herstellern, Politikern und dem Militär soll aufrechterhalten werden.

Welche Rolle spielt China als Waffenlieferant für Nordkorea?

Zweifelsohne beliefern sie Nordkorea weiter mit Waffen, aber auf technisch niedrigem Niveau. Zudem gibt es den Schwarzmarkt als ergiebige Quelle.

In welchen Ländern bedienen sich Paria-Staaten wie Nordkorea?

Libyen steht hoch im Kurs. Das gefallene Gaddafi-Regime kaufte so viele Waffen, dass es nicht genug Soldaten für so viel Ausrüstung hatte. Und die Waffen waren extrem schlecht gesichert; sowohl Loyalisten als auch Rebellen bedienten sich nahezu ungehindert.

Besitzt Nordkorea auch aus Libyen stammende Waffen westlicher Provenienz?

Es würde mich sehr überraschen, wenn es nicht so wäre. Allerdings wohl nur in geringem Ausmaß.

China exportiert mittlerweile mehr Waffen als es importiert. Welche Folgen hat dieser Aufstieg?

In den vergangenen 15 Jahren hat der Aufstieg Chinas den globalen Waffenhandel verändert. 2011 hat das Regime in Peking Waffen im Wert von mehr als 1,4 Milliarden Dollar exportiert. Sie haben einen großen technischen Sprung vorwärts gemacht, verfügen mittlerweile sogar über Tarnkappen-Systeme - wenn auch nicht in hoher technischer Qualität. Und China verkauft seine Rüstungsgüter zu Billigstpreisen. Waffen sind zentraler Bestandteil der politischen Strategie.

Welche Strategie verfolgt China damit in Asien?

Die Rüstungsindustrie ist ein ideales Bindeglied zwischen politischen und wirtschaftlichen Zielen. China hat komplexe Beziehungen zu vielen Staaten Asiens und will seine Waffenindustrie einsetzen, um historisch belasteten Beziehungen neuen Schwung zu verleihen. So etwa gegenüber Südkorea. Gleichzeitig versucht Peking, sich nicht zu weit von traditionellen Verbündeten wie Nordkorea zu entfernen. Genau verfolgt wird auch die Entwicklung Indiens: Derzeit ist der dortige Waffenhandel in der Hand westlicher Konzerne, aber chinesische Firmen drängen auf den Markt. Denn das Land war 2011 größter Waffenimporteur der Welt, erwarb Güter im Wert von 3,6 Milliarden Dollar. Und wie China produziert aber auch Indien immer mehr Waffen selbst.

Stehen hinter Indiens Aufrüstung auch geopolitische Motive oder geht es primär um den Kaschmir-Konflikt mit Pakistan?

Geopolitische Motive, absolut. Es scheint, je stärker Länder wirtschaftlich werden, desto mehr möchten sie militärische Player werden. Ein bizarres Beispiel dafür ist Brasilien, das nun ebenfalls aufrüsten will.

Spielt Korruption bei Waffendeals in Asien eine ähnliche große Rolle wie im Westen?

Der einzige Unterschied ist, dass im Westen raffinierter geschmiert wird.

Andrew Feinstein
ist Experte für Waffenhandel. Der frühere Politiker deckte in seiner Heimat Südafrika einen Waffen-Skandal auf. Am 13.12. referiert er im Wiener Renner-Institut über internationalen Waffenhandel.