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"Normaler Gerichtsbetrieb nicht vor Herbst"

Von Daniel Bischof

Politik

30.000 Verhandlungen wegen Corona-Krise vertagt. Zivilrichter machen sich bereit, den Rückstau an Verfahren abzuarbeiten.


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Mit dem Ende der Ausgangsbeschränkungen wird auch der Gerichtsbetrieb in Österreich allmählich hochgefahren. Die Richter bereiten sich darauf vor, den großen Rückstau abzuarbeiten, Verhandlungen für die nächsten Monate werden ausgeschrieben. Die Beschränkung, im Zivilverfahren nur besonders dringende Fälle durchzuführen, wird vom Justizministerium aufgehoben. Eine baldige Rückkehr zur Normalität ist aber nicht in Sicht.

"Ein normaler Gerichtsbetrieb ist vor dem Herbst nicht zu erwarten", erklärt Sabine Matejka, Präsidentin der österreichischen Richtervereinigung, der "Wiener Zeitung". Laut Justizministerium mussten bereits rund 30.000 Verhandlungen aufgrund der Corona-Krise vertagt werden. Matejka rechnet damit, dass in nächster Zeit in einigen zivilrechtlichen Rechtsgebieten zudem überdurchschnittlich viele Fälle anfallen werden. Gerade im Familienrecht könnte es aufgrund der Corona-Situation vermehrt zu Scheidungsverfahren oder sonstigen Rechtsstreiten kommen. Auch im Arbeits- und Mietrecht sowie bei den Exekutionen und Insolvenzen erwarte sie einen deutlichen Anstieg, erklärt Matejka.

Dem Rückstau und möglichen Anstieg an neuen Fällen kann nur mit begrenzten Ressourcen begegnet werden. Man wolle "die Gerichte Corona-frei halten", betont Justizministerin Alma Zadic (Grüne). In sehr kleinen Gerichtssälen lässt sich der erforderliche Mindestabstand zwischen den Verfahrensparteien aber nicht wahren. Dadurch stehen den Richtern nicht alle Verhandlungssäle zur Verfügung. "Wir klären derzeit in den Gerichten ab, welche Verhandlungssäle überhaupt genutzt werden können - und auf welche Weise", erklärt Matejka. Die Justiz werde also "jedenfalls weniger Kapazitäten für Verhandlungen haben als früher: "Alle verschobenen Verhandlungen werden nicht sofort nachgeholt werden können", betont Matejka. Man werde die inhaltlich dringendsten Fälle vorreihen: "Und generell werden die Verfahren, bei denen es weniger Beteiligte gibt, praktisch einfacher durchzuführen sein."

Mehr Videobefragungen

Behelfen will sich die Justiz auch mit Videobefragungen. Mit einer Novelle zum 1. Corona-Maßnahmengesetz erweitert der Gesetzgeber ab 7. Mai die Möglichkeit, Zeugen, Sachverständige und sonstige Verfahrensbeteiligte im Zivilverfahren zu vernehmen: Bis 31. Dezember darf die gesamte mündliche Verhandlung per Videokonferenz durchgeführt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Verfahrensparteien zustimmen - und die nötige Ausstattung vorhanden ist. Genau daran mangle es aber bei vielen Gerichten, sagt Matejka.

Die Richterin schildert die Situation anhand ihres Dienstortes, dem Bezirksgericht Floridsdorf: "Wir haben 14 Richter und einige Rechtspfleger. Nur in drei von sieben Sälen gibt es überhaupt einen EDV-Anschluss. Das Gericht verfügt über zwei Dienstlaptops mit Kameras." Zwar seien manche Gerichte, vor allem Landes- und Handelsgerichte besser ausgestattet: "Aber großflächig werden Videokonferenzen in der Justiz nicht durchzuführen sein."

Das Homeoffice nutzten die Richter laut Matejka vor allem dazu, ausständige Entscheidungen zu erledigen und etwa Urteile zu schreiben. Der überwiegende Teil der Richter sei bereits wieder täglich bei Gericht. "Die meisten Richter haben Einzelzimmer. Da ist das Abstandhalten nicht so ein Problem."