Das "wohlhabendste Land der Welt" steht vor einem wirtschaftlichen Abschwung. Der Ölpreis drückt die Staatseinnahmen, Arbeitsstellen werden gestrichen. Allerdings verfügt das Land noch über eine dick gefüllte Kasse für schlechte Zeiten.
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Oslo. (ce) Norwegen fürchtet das Ende seines goldenen Zeitalters. Der Ölnation, laut der jüngsten Rangliste des Legatum Institute das "wohlhabendste Land der Welt", steht vor einer Wirtschaftskrise. Der stark fallende Ölpreis könnte zu einem deutlichen Abschwung führen, heißt es in einem Bericht der norwegischen Handelshochschule BI. Darin wurde von einem Ölpreisverfall von 25 Prozent ausgegangen. Inzwischen ist der Preisverlust bereits höher.
"Die meisten Norweger müssen wegen des Ölpreisfalls mit einer niedrigeren Kaufkraft rechnen, unsere Wirtschaftskraft wird zumindest kurzfristig abnehmen", sagt Studienautorin und Wirtschaftsprofessorin Hilde Björnland der "Wiener Zeitung". "Sollten die Ölpreise so niedrig bleiben, wird sich das deutlich auf die norwegische Wirtschaft und die Arbeitslosigkeit auswirken", glaubt sie. Das in den zurückliegenden globalen Wirtschaftskrisen dank Öl- und Gasvorkommen relativ stabile norwegische Bruttoinlandsprodukt (BIP) könnte zwischen 0,5 und 2,5 Prozent schrumpfen, Norwegen würde dann in einer Rezession fallen, warnt das norwegische Wirtschaftsblatt "Finansavisen".
Bereits bis Ende 2014 hat der norwegische Ölsektor über 7000 Arbeitsstellen gestrichen. Knut Sunde, Direktor des Industrieverbandes, warnte: "Das ist nur Anfang. Schrumpfprozesse tendieren Richtung Stillstand", sagte er. Auch die Gewerkschaft des staatlichen Ölkonzerns Statoil geht von einem deutlichen Arbeitsplatzabbau in diesem Jahr aus.
Bereits 2014 hat Statoil die beiden neuen Ölförderanlagen Transocean Spitsbergen und Songa Trym schließen müssen. Nach jüngsten Berechnungen der Wirtschaftszeitung "e24" könnten die direkten und indirekten Öleinnahmen um 70 Prozent fallen.
All das lässt viele Norweger unsicher in die Zukunft blicken. Das ist seit der Entdeckung des Öls Ende der 60er Jahre kaum vorgekommen. Der Dachverband der norwegischen Finanzwirtschaft Finans Norge hat zum Jahreswechsel ausgerechnet, dass der sich auf die Kauflust auswirkende Erwartungsindex der Verbraucher weiter fällt. Betrug er im dritten Quartal 2014 noch 18,5 Punkte, so sank er auf 15,4 Punkte im vierten Quartal.
Die norwegische Krone, die Anlegern in der Eurokrise ähnlich dem Franken als sichere Ausweichanlage galt und zum Euro seit 2013 fast stetig anstieg, könnte in einer Kettenreaktion abbröckeln. Der auch durch Investitionen von ausländischen Anlegern überhitzte Immobilienmarkt Norwegens könnte einbrechen, warnte etwa die größte skandinavische Bank Nordea. Alleine zwischen 2009 und 2013 stiegen die Preise für Einfamilienhäuser um 41 Prozent.
Solberg: "Es gibt keine Krise"
Die konservative Ministerpräsidentin Erna Solberg hält diese Warnungen für Panikmache. "Viele nutzen das Wort Krise zu schnell. In Norwegen gibt es keine Krise", sagte sie zuletzt.
Im Notfall können die Staatsausgaben einfach erhöht werden. Denn durch Jahrzehnte des Ölreichtums verfügt Norwegen über ein sehr starkes Grundfundament. Der volkseigene Ölfonds, der für zukünftige Generationen nach dem Aufbrauchen der Ölreserven gedacht ist, war Mitte des vergangenen Jahres 844 Milliarden Dollar wert (729 Milliarden Euro). In diesen Ölfonds fließen seit 1990 jedes Jahr 86 Prozent sämtlicher Öleinnahmen. Die Mittel des Fonds werden ausschließlich im Ausland anlegt.
Nur vier Prozent dürfen jedes Jahr im Staatshaushalt ausgegeben werden. "Derzeit geben wir nur etwas über drei Prozent aus, da ist noch Spielraum für erhöhte staatliche Ausgaben. Mit unserem Geld können wir Krisen zumindest kurzfristig abwenden, eine wirklich tiefe Rezession wird es in Norwegen erstmal nicht geben", sagt Wirtschaftsprofessorin Hilde Björnland.