Zum Hauptinhalt springen

Not in our Name! Pensionskürzungen treffen die junge Generation

Von Angelika Gruber und Josef Thoman

Gastkommentare
Angelika Gruber, Ökonomin, und Josef Thoman, Ökonom. Beide sind in der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund aktiv.
© privat

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Pensionsreformdebatte wird derzeit vorgeblich im Namen der "Jungen" geführt. Das System muss demnach reformiert werden um die Pensionen der Zukunft zu sichern. Doch die skizzierte Kostenexplosion gibt es nicht. Die vermeintlichen Gewinner einer Reform wären die großen Verlierer.

Ein heute 20jähriger Deutscher muss nach 45 Berufsjahren mit einer staatlichen Pension auskommen die - laut OECD - weniger als 38 Prozent seines bisherigen (Brutto-)Einkommens beträgt. Dieselbe Person darf in Österreich mit einem beinahe doppelt so hohen Einkommen im Alter rechnen, beträgt die (Brutto-)Ersatzrate in Österreich doch knapp 80 Prozent. Das Beispiel Deutschland zeigt also, wohin Pensionsreformen führen können. Bei unseren Nachbarn wurde nämlich der Anspruch, über das öffentliche, umlagefinanzierte Pensionssystem den Lebensstandard zu sichern, aufgegeben. Staatlich geförderte Betriebspensionen und die privaten Pensionsvorsorge sollten die Lücke schließen, werden dazu aber nicht in der Lage sein. So rechnet die OECD selbst unter Miteinbeziehung dieser beiden "Säulen" und einer günstigen Entwicklung mit einer Pension von nur rund 50 Prozent (Brutto-Ersatzrate). Weitverbreitete Altersarmut wird die Folge sein.

Dennoch werden von wirtschaftsliberaler Seite und der privaten Versicherungswirtschaft ähnliche Reformen für Österreich gefordert. Als Kernargument dient dabei eine vermeintliche Kostenexplosion des Pensionssystems. So müsse immer mehr Geld aus dem Steuertopf für staatliche Pensionenzugeschossen werden. Um die "Pensionen" der Jungen zu sichern, müssten demnach also Pensionsansprüche gekürzt werden.

Die Kostenexplosion gibt es nicht

Doch die immer wieder behauptete Kostenexplosion gibt es nicht. Obwohl der Anteil der über 65jährigen von rund 18% bis 2060 auf knapp 29 Prozent ansteigen wird, steigt der Pensionsaufwand (laut EU-Kommission) von in Summe 13,9 Prozent des BIP "nur" um ein halbes Prozentpunkt auf 14,4 Prozent. Der Finanzierungsanteil aus Steuermitteln (inkl. Beamtenpensionen) wird demnach geringfügig von 6,0 auf 6,4 Prozent zunehmen. Das zeigt sehr klar wie gravierend die vielen bereits durchgeführten Pensionsreformen in die Zukunft wirken werden.

Wer vor dem Hintergrund dieser Zahlen dennoch eine weitere "große Pensionsreform" fordert kann daher nur eine drastische Kürzung der Pensionen – wovon vorwiegend die heute jungen Personen betroffen sind – meinen. Über das Motiv dahinter kann angesichts der Faktenlage nur gemutmaßt werden. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass die Lobby der Versicherungswirtschaft beste Kontakte in die Politik pflegt. Und deren Interesse ist klar: Das gut funktionierende öffentliche System soll zumindest teilweise durch private Versicherungsprodukte abgelöst werden. Diesen Zusammenhang erkennt auch der ehemalige deutschen Sozialministers und CDU-Politiker Norbert Blüm: "Das Umlagesystem ermöglicht zwar weniger Gewinne für private Pensionsversicherer, aber höhere Pensionen und/oder niedrigere Beiträge für die Versicherten."

Falsch verstandene Generationengerechtigkeit

Nimmt man das Schlagwort "Generationengerechtigkeit" ernst, so sind die zu drehenden Stellschrauben jedenfalls ganz andere. Demografische Verschiebungen sind nämlich nur ein – kaum beeinflussbarer – Faktor. Worauf es tatsächlich ankommt ist die Relation von Leistungsbeziehern (Pensionisten, Arbeitslose etc) und Erwerbstätigen. Die Gleichsetzung der Zahl der Menschen im Erwerbsalter mit der Zahl der Erwerbstätigen ist in diesem Kontext irreführend. Denn es sind die Pensionsversicherungsbeiträge der aktiv Beschäftigten die zum größten Teil die Pensionen finanzieren. Da die Pensionsversicherungsbeiträge als fixer Anteil der Löhne und Gehälter berechnet werden, ist das Wachstum der Lohnsumme für die Dynamik des Beitragsaufkommens entscheidend.

Dementsprechend stellt die hohe Arbeitslosigkeit die größte Herausforderung für die Finanzierung der Pensionen dar. Um die Pensionen zu sichern bedarf es folglich in erster Linie einer aktiven Beschäftigungspolitik. Ebenso wichtig ist eine produktivitätsorientierte Lohnentwicklung, die eine gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstandes zwischen Arbeit und Kapital und damit eine breite Finanzierungsbasis sicherstellt.

Ist keine Reform die richtige Reform?

Nichtsdestotrotzgibt es Handlungsbedarf im Pensionssystem. Die Situation jener die von Altersarmut betroffen sind, muss verbessert werden. Das sind in erster Linie prekär Beschäftigte sowie Personen mit brüchigen Erwerbskarrieren – allen voran Frauen mit langjährigen Betreuungspflichten.

Demgegenüber stehen notwendige Einschränkungen von Sonderregelungen kleiner, privilegierter Gruppen sowie der Steuerbegünstigung privater Zusatzpensionen. Aber auch eine Harmonisierung der Beitragssätze würde zu mehr Gerechtigkeit zwischen den unterschiedlichen Versicherungsträgern und deren Versicherten beitragen. Die ASVG-Pensionen, die das Groß des öffentlichen Pensionssystems ausmachen, sind solide finanziert und wachsen nicht in den Himmel. Wer mit einer großen Pensionskürzungsreform das ASVG-System im Visier hat handelt ideologisch, nicht pragmatisch und übersieht zudem das Wesentliche.

Für einen Pensionsanspruch, der den Lebensstandard sichert, ist eine gute Erwerbsbiografie entscheidend. Dafür braucht es entsprechende Rahmenbedingungen, diese reichen von einem guten Ausbildungssystem über verbesserte Berufseinstiegsmöglichkeiten und einer guten Entlohnung bis hin zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Nur durch eine derartige ganzheitliche Sichtweise kann auch der Lebensstandard der heute Jungen in ihrer Pension gesichert werden - andernfalls führt die bevorstehende Pensionsreform zu Leistungskürzungen. Und diese treffen vor allemjene denen heute eingeredet wird ihre Pensionen werden damit gerettet.