)
Vor fünf Jahren wurde die Steuerreform komplett aus dem Budget finanziert. Das ist nicht mehr möglich. Aber ein Teil?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Wenn die Christkindlmärkte ihre Punschtröge füllen, dann ist das so etwas wie der offizielle Startschuss für das Weihnachtsgeschäft. Es ist also wieder so weit. Die Erwartungen sind freilich gering, zufrieden wäre der Handel bereits, wenn die Umsätze nicht rückläufig sind. Aber ist das auch wahrscheinlich?
Der Inlandskonsum ist auf konstant niedrigem Niveau, seit Ausbruch der Krise erholt er sich nicht. Die Menschen geben zu wenig Geld aus, als dass die Konjunktur wieder anspringen könnte, obwohl Sparen aufgrund der niedrigen Zinsen derzeit keine sinnvolle Option ist und Konsumkredite günstig wären. Doch auch Unternehmen wollen nicht investieren. Die Bereitschaft bei mittelständischen Betrieben hat weiter nachgelassen, nur mehr 35,9 Prozent (gegenüber 40,1 im Vorjahr) wollen investieren, wie die Wirtschaftsauskunftei Creditreform ermittelte.
Als eine Art letzte Hoffnung muss also die Steuerreform herhalten, bei der sich die beiden Regierungsparteien aber nun, wie es aussieht, wieder etwas voneinander wegbewegen. Und besonders nahe sind einander SPÖ und ÖVP bisher ohnehin nicht gekommen, lediglich auf das Volumen von fünf Milliarden Euro hat man sich geeinigt. Mag sein, dass sich die jüngsten Misstöne nach dem SPÖ-Parteitag kommende Woche wieder legen werden, doch die Frage der Gegenfinanzierung ist eine nach wie vor ungelöste.
Zu einem Sechstel, vielleicht sogar ein bisschen mehr, soll sich die Steuerreform selbst finanzieren. Gerade bei den niedrigen Einkommen ist damit zu rechnen, dass die Entlastung sofort und zur Gänze ausgegeben wird, also in den Konsum fließt. Hier braucht es keine Einigung. Eine weitere Milliarde Euro will die SPÖ durch einen für den Bund besseren Finanzausgleich mit den Ländern lukrieren, der im kommenden Jahr verhandelt wird. Auch wenn der Hund im Detail liegen dürfte, Stichwort Strukturreform, ist hier eine Einigung zwischen SPÖ und ÖVP realistisch, ebenso wie bei der Reduktion von Steuerausnahmen und weiteren Maßnahmen gegen Steuerbetrug.
Aiginger fordert 8 Milliarden
Dann bleiben aber immer noch ein paar Milliarden, deren Gegenfinanzierung strittig ist, zumal die SPÖ das Volumen gerne auf sechs Milliarden Euro ausweiten würde und Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, sogar acht Milliarden Euro einmahnt. "Es ist für uns wichtig, dass auch das unterste Drittel der Einkommensbezieher etwas bekommt, durch eine Senkung der Sozialabgaben", sagte Aiginger im Ö1-"Mittagsjournal". "Und das ist nur durch eine Größenordnung von acht Milliarden darstellbar", so der Wifo-Chef.
Aber woher nehmen? Vielleicht doch einen Teil mit neuen Schulden finanzieren? Zur Erinnerung: Die kleinere, rund 3,2 Milliarden Euro schwere Reform im Jahr 2009 wurde ausschließlich aus dem Budget finanziert, dementsprechend stieg das Defizit. Damals war aber der EU-Fiskalpakt noch nicht in Kraft, der den Mitgliedstaaten restriktive Budgetvorgaben macht. Es ging also.
Schon jetzt gehört Österreich zu jenen Ländern, die sich nicht komplett daran halten. "Es gibt ein paar Spielräume, und die hat man ausgeschöpft", sagt Christian Keuschnigg, Noch-Chef des Instituts für Höhere Studien. Statt das strukturelle Defizit wie gefordert weiter nach unten zu schrauben, hat Österreich wie im Vorjahr ein Prozent der Wirtschaftsleistung nach Brüssel gemeldet.
Fiskalpakt als Hindernis
Die Steuerreform wie 2009 zur Gänze über das Budget zu finanzieren, ist kein Thema und durch den Fiskalpakt auch nicht möglich. Es ist auch kein Ansatz in den Verhandlungen zwischen den Regierungsparteien. Markus Marterbauer, Chefökonom der Arbeiterkammer, sagt: "Ich bin da auch sehr skeptisch, man sollte eine Steuerreform nicht über Verschuldung finanzieren." Österreich habe den Fiskalpakt mitbeschlossen, müsse sich daher auch an die Vorgaben halten. Marterbauer sieht allerdings auch "gute Gründe", gewisse Investitionen nicht über Steuereinnahmen, sondern sehr wohl über eine Neuverschuldung zu finanzieren: "Warum sollen Ausgaben für zum Beispiel öffentliche Verkehrsinfrastruktur, die für viele Generationen gebaut wird, nur von einer bezahlt werden?" Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl will diese Investitionen aus dem strukturellen Budgetsaldo herausrechen.
Dazu müsste freilich die neue EU-Kommission ihren Sanktus geben. Es wäre jedenfalls eine Option, die Spielräume der Länder zu vergrößern, ohne den Fiskalpakt komplett aufzuschnüren. Denn das, sagt Keuschnigg, würde der Glaubwürdigkeit des Pakts und damit Europa schaden. "Eine Staatsverschuldung ist gegenüber den USA auch riskanter für Europa, weil sie dezentraler ist."
Die Frage ist, ob ein etwas weniger restriktiver Vollzug der Vorgaben durch die neue Kommission, auch eine Art Exit-Strategie für die verfahrene Situation bei der Steuerreform sein kann. Ob vielleicht eine oder eineinhalb Milliarden, auf die sich SPÖ und ÖVP eventuell nicht einigen können, nicht dann doch durch das Budget finanziert werden kann?
Ökonomisch sei dies abzulehnen, sagt Marterbauer, zumal eine solche Reform "leicht mit der Erhöhung anderer Steuern" finanziert werden könne. Für die AK sind das vor allem vermögensbezogene Steuern. Keuschnigg wären Privatisierungen lieber, auch wenn da nicht mehr riesige Summen bewegt werden können, und Aiginger würde ein höheres Defizit nur dann akzeptieren, wenn es nur kurzfristig ist. Denn Steuereinnahmen sinken sofort, auf der Ausgabenseite brauchen Strukturreformen länger, bis sie wirken. "Am Ende ist es eine politische Frage", sagt Marterbauer.