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Notfallplan für Griechenland beschlossen

Von WZ Online

Europaarchiv

Euro-Länder nehmen deutsch-französischen Entwurf an. | Bilaterale Kredite der Euro-Länder sollen um Hilfen des Währungsfonds ergänzt werden. | Keine Einigung bei Armutsbekämpfung. | Brüssel/Paris. Die Staats- und Regierungschefs der 16 Euro-Länder haben sich auf den deutsch-französischen Notfallplan für das hoch verschuldete Griechenland geeinigt. Der Plan sieht eine Kombination aus bilateralen Krediten der 15 anderen Euro-Länder in Ergänzung zur Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor. | Beschluss der Euro-Gruppe im Wortlaut | Videos vom EU-Gipfel | Anteile der Euro-Länder für Griechenland-Hilfe | Portugal - Einigung auf Sparprogramm | Ashton legt Grundzüge für Auswärtigen Dienst vor | Euro erholte sich etwas


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Am späten Donnerstagabend haben auch die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten den Notfallplan für Griechenland abgesegnet. Kleinere Änderungen, hieß es, stünden aber noch bevor.

"Ultima ratio"

Die Euro-Staaten sollen koordinierte Kredite zu nicht-subventionierten Zinsbedingungen beisteuern, heißt es in der Erklärung. Der Notplan sei aber als letzter Ausweg ("ultima ratio") zu verstehen, falls die Finanzierung der griechischen Schulden über die Märkte nicht mehr möglich sein sollte.

Griechen wollen Kredite nicht in Anspruch nehmen

Griechenland will die möglichen Milliarden-Kredite nicht nutzen. Griechenlands Finanzminister Giorgos Papakonstantinou sagte am Donnerstag in Brüssel, seiner Regierung sei es nur um die Zusage für Hilfe im Ernstfall gegangen. "Wir werden diesen Mechanismus nicht nutzen, weil wir hoffen, dass diese auf höchster Ebene getroffene Entscheidung eine Botschaft an die Märkte senden und die Zinssätze drücken wird", sagte der Minister.

Für den Ernstfall sollen sich die Euro-Mitgliedsländer an den Krediten auf der Basis ihres Kapitalschlüssels bei der Europäischen Zentralbank (EZB) beteiligen. Für Österreich beträgt dieser Anteil bezogen auf die Mitglieder der Eurozone und unter Abzug der griechischen Quote 2,86 Prozent. Die Auszahlung der Kredite soll einstimmig von den Euro-Ländern unter strikten Bedingungen basierend auf einer Einschätzung der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossen werden.

Erleicherung unter den Staatschefs

Bundeskanzler Werner Faymann (S) bezeichnete den Notfallplan als "ein Modell", auf das auch andere Länder zurückgreifen könnten. Allerdings habe sich "keiner zu Wort gemeldet, der den Anschein erweckt hat, er könnte sich schon zur Stunde mit dem Modell beschäftigen". Es wäre ein "großer Treffer", wenn die abschreckende Wirkung des Notfallplans gegen Spekulanten so groß sei, dass er nicht gebraucht würde, sagte Faymann.

Noch abgeschwächt werden dürfte eine Textpassage, in der die Euro-Länder im Laufe des Gipfels die Schaffung einer "Wirtschaftsregierung" in Aussicht stellten. Statt dessen sei nun nach der Sitzung der EU-27 von einer "verbesserten governance" die Rede, so Faymann, was als "Regierungsrichtlinie" zu verstehen sei. Dies würde keine Änderung der EU-Verträge erfordern.

Der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker, nannte die Einigung eine "adäquate Antwort" auf die Probleme Griechenlands: "Die Spekulanten wissen jetzt, dass Griechenland nicht alleine gelassen wird", sagte er. Eine frühere Einigung wäre Juncker lieber gewesen und auch die Einbindung des IWF hätte Juncker lieber vermieden, aber es sei angesichts des Widerstands einiger Länder keine andere Lösung möglich gewesen.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso bezeichnete den Rettungsplan für Griechenland als "solides Sicherheitsnetz". Der ständige Ratsvorsitzende Herman Van Rompuy betonte, man habe gezeigt, dass Griechenland nicht im Stich gelassen werde. Damit würden auch "Unwägbarkeiten beseitigt". Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verwies darauf, dass die Einigung ein Erfolg des deutsch-französischen Tandems sei: "Wie immer in Europa sind die Länder erleichtert, wenn Deutschland und Frankreich ihren Willen zu einer tiefen Zusammenarbeit bekundet haben", sagte er. Seien Deutschland und Frankreich sich einig, dann sei alles einfacher.

Neue Wirtschaftsstrategie

Zuvor hatten die EU-Staats- und Regierungschefs über die neue Wirtschaftsstrategie "Europa 2020" beraten, die im Juni vom EU-Gipfel angenommen werden soll. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) habe dabei Zustimmung zu allen fünf Hauptzielen signalisiert und ein besseres Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen und sozialen Aspekten in Europa verlangt, wobei die Armutsbekämpfung ein wichtiger Teil sei.

Nach dem Plan der EU-Kommission sollen bis 2020 75 Prozent der Menschen zwischen 20 und 64 Jahren eine Arbeit haben, drei Prozent der EU-Wirtschaftsleistung müsste in Forschung und Entwicklung gesteckt und die EU-Klimaziele umgesetzt werden. Außerdem soll der Anteil der Schulabbrecher unter zehn Prozent gedrückt werden (derzeit 15 Prozent) und mindestens 40 Prozent der jüngeren Generation eine Hochschulbildung aufweisen (derzeit 31 Prozent). Schließlich müssten bis 2020 um 20 Millionen Menschen weniger vom Armutsrisiko betroffen sein als heute.

Keine Einigung bei Armutsbekämpfung

Keine Einigung gab es dagegen beim EU-Gipfel im Zusammenhang mit der neuen Strategie "Europa 2020" auf konkrete Ziele zur Armutsbekämpfung sowie zur Bildung. "Es gab Bedenken, es ging um die Frage der Zuständigkeiten", sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso nach Abschluss des Gipfels in Brüssel. Barroso betonte, die EU habe nach dem Lissabon-Vertrag eindeutig Kompetenzen in Bereich bei der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung.

Einige Regierungschefs hätten aber argumentiert, dass sich die EU im Sinne des Subsidiaritätsprinzips nicht um die Armutsbekämpfung kümmern sollte. Der EU-Gipfel soll nun im Juni auf die Erstellung von genauen Indikatoren zurückkommen. Es gebe aber eine Einigung darauf, dass das Ziel der Armutsbekämpfung in der EU-Wirtschaftsstrategie als solches bleibe. Man habe noch Zeit im laufenden Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung, sagte er.