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Notstand an der Weltklasse-Uni

Von Hans Pechar

Wissen

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Die Vorgänge an der Wiener Publizistik werfen ein grelles Licht auf den Zustand der universitären Massenfächer. Die Schönfärberei der Ministerin, die sich am Institutsvorstand abputzt, wird wenig dazu beitragen, die betroffenen Studenten aufzumuntern. Gehrer kann sich nicht einmal vorstellen, während der Wartezeit die Gebühren zu sistieren, denn: "diese Beiträge sind ja nur ein kleiner Teil der Kosten, die ein Student dem Steuerzahler jährlich verursacht". Ein faszinierendes bildungsökonomisches Problem: was kosten Studenten dem Steuerzahler, während sie daran gehindert werden, ihr Studium abzuschließen?

Schlimmer als die Engpässe, die hier zu Tage treten, ist der verantwortungslose Umgang mit ihnen. Wie lange noch wird die Regierung den Zugang offen halten aber durch schlechte Studienbedingungen dafür sorgen, dass die Hälfte der Studenten vorzeitig abbricht und der Rest durchschnittlich sieben Jahre bis zum ersten Abschluss benötigt? Vielleicht spricht sich nun wenigsten herum, dass die Studiendauer nicht nur durch das süße Leben der Bummelstudenten in die Länge gezogen wird.

Der offene Hochschulzugang ist mit akzeptablen Studienbedingungen unvereinbar. Wir reden ja nicht über Utopia, wo alle guten Dinge (auch Betreuer von Diplomarbeiten) im Überfluss vorhanden sind. In den Niederungen des wirklichen Lebens müssen wir mit Knappheiten leben, und die Universitäten bilden keine Ausnahme. Es wird immer "zu wenig" Ressourcen geben - d.h. weniger, als die involvierten Akteure fordern. Um ein Mindestmaß an Rationalität in die daraus resultierenden Konflikte zu bringen, haben alle gut verwalteten Hochschulsysteme eine Studienplatzfinanzierung eingeführt. Auch Österreich ist bei den Fachhochschulen diesen Weg gegangen - das ist ein Eckpfeiler ihres Erfolgs. Den Streit um die Ausstattung der Hochschulen kann man dann auf zwei klar umrissene Fragen zuspitzen: 1. wieviel Ressourcen benötigt ein Studienplatz eines bestimmten Faches? 2. wieviel Studienplätze zahlt der Staat? Es ist also immer noch genügend Konfliktstoff vorhanden, aber die Entscheidungen verlaufen um vieles transparenter, und das fördert die Versachlichung der Diskussion.

Es ist nicht der Sinn einer Studienplatzfinanzierung, die postsekundären Studienmöglichkeiten in Österreich zu reduzieren. Im Gegenteil, die OECD-Indikatoren zeigen uns jährlich aufs Neue, dass wir bei den Studenten- und Absolventenquoten das Schlusslicht bilden. Aber es ist nötig, die faktischen Engpässe offenzulegen, die in den letzten Jahren nicht nur an der Publizistik, sondern bei zahlreichen Massenfächern besorgniserregende Ausmaße angenommen haben. Ein solcher Kassasturz würde unerfreuliche Überraschungen bringen. Erst kürzlich, bei der Einführung von Studiengebühren, mussten die Studentenzahlen um 20% bereinigt werden. Es wurde offenkundig, mit wievielen "Scheininskribenten" wir jahrelang die Statistiken aufgebessert hatten. Der Umstieg auf eine Studienplatzfinanzierung würde an den Universitäten fiktive Größen einer anderen Art ans Licht bringen: Studenten, die gerne aktiv wären, für die aber keine Betreuungskapazitäten vorhanden sind, und die sich daher in Warteposition befinden.

Eine Studienplatzfinanzierung würde die Politik der Lippenbekenntisse und Potjemkinschen Dörfer beenden: die Regierung müsste Farbe bekennen, wieviel Studienplätze sie finanzieren will (wie sie das bei den Fachhochschulen ja auch tut). Bis es soweit ist werden die Studenten mit der austriakischen Version von Weltklasse leben müssen: mit Seminarplatzroulette, Wartelisten und K.-o.-Prüfungen. n

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Hans Pechar ist ao. Univ. Prof. und Leiter der Hochschulforschung am IFF.