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Notstand, welcher Notstand?

Von Katharina Schmidt

Politik

Innenminister Wolfgang Sobotka drängt auf die Inkraftsetzung der Verordnung, die SPÖ gibt sich entspannt.


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Wien. Wolfgang Sobotka bleibt dabei. Lieber heute als morgen will der Innenminister damit anfangen, die Verordnung zu erstellen, mit der es deutlich schwerer werden soll, einen Antrag auf Asyl in Österreich zu stellen. "Wenn man einen Hochwasserschutz baut, wenn das Hochwasser schon da ist, wird er nicht viel nützen", meinte er am Rande des Ministerrats am Dienstag.

Beim Ministerrat präsentierte er seinen Regierungskollegen die aktuellen Asylzahlen - und diese würden darauf hindeuten, dass die Obergrenze von 37.500 im Herbst erreicht ist. Doch ebenso wie man sich in der Regierung nicht darauf einigen kann, ob es sich dabei nun tatsächlich um eine "Obergrenze" (ÖVP) oder einen "Richtwert" (SPÖ) handelt, genauso herrscht auch Unklarheit über die Aussagekraft der vom Innenressort präsentierten Zahlen. Denn laut Sobotka haben heuer bereits 25.691 Menschen einen Asylantrag in Österreich gestellt, zum Verfahren zugelassen wurden hingegen 14.037 - eigentlich wäre man damit noch weit entfernt vom "Obergrenzenrichtwert". Doch Sobotka rechnet noch 8098 Altanträge dazu, damit kommt er auf eine Gesamtsumme von heuer bisher 22.135 Anträgen - und schließt daraus, dass es im Herbst 37.500 sein werden.

Offenbar geht man im Innenressort außerdem davon aus, dass die Antragszahlen heuer über den Sommer ähnlich stark steigen werden wie 2015 - in den Ländern werden Quartiere freigehalten, um auf einen eventuellen Ansturm vorbereitet zu sein.

"Wir sind noch nicht bei der imaginären Grenze"

Doch wo ist er, dieser Asyl-Notstand, der unser Land ins Chaos stürzen soll? In der SPÖ geht man offenbar nicht davon aus, dass dieser bald erreicht sein wird. Man werde die Verordnung "zum gegebenen Zeitpunkt in der Regierung besprechen", heißt es aus dem Ressort von Sobotkas Spiegelminister, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil. Man dürfe zwar nicht warten, bis die "imaginäre Grenze" tatsächlich erreicht sei, sondern müsse vorausschauend tätig werden - "aber es gibt ja Indikatoren dafür und so weit sind wir noch nicht". Ähnliches ist aus der SPÖ selbst zu vernehmen: Der Ball liege nun beim Innenminister, dieser solle erst einmal konkrete Zahlen vorlegen, aus denen zum Beispiel auch hervorgeht, wie viele Anträge an der Grenze gestellt werden.

Apropos internationale Regeln: Die SPÖ lässt sich noch eine weitere Hintertüre offen. Man werde sich ganz genau ansehen, ob Sobotkas Entwurf einer Notverordnung mit der Genfer Flüchtlingskonvention und EU-Recht konform geht. Außerdem müsse er den Entwurf sehr gut begründen und zum Beispiel beweisen, dass Arbeitslosigkeit oder Wohnungspreise durch die große Zahl an Asylwerbern in die Höhe schnellen. Nach der Prüfung im Ministerrat kommt das Papier in den Hauptausschuss des Nationalrats. Wie lange es ab dem Zeitpunkt, zu dem die Verordnung auf dem Tisch liegt, dauern kann, bis dann tatsächlich die Zahl der zugelassenen Asylanträge begrenzt wird, ist also offen.

Klar ist aber, dass sich auch der neue Kanzler Christian Kern in irgendeiner Form an die Vereinbarung mit der ÖVP zur Notverordnung halten muss, da sonst die Koalition und damit auch der "New Deal" wohl Geschichte wäre.

Kern und Mitterlehner demonstrieren Einigkeit

Aber ebenso klar ist, dass ein Teil der Sozialdemokraten das Abkommen für einen strategischen Fehler hält - vor allem angesichts der Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl am 2. Oktober. Damit könnte das Erreichen der Obergrenze genau in den Wahlkampf fallen - und ein Zögern der SPÖ würde dann wohl dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer nützen. Und das will derselbe Teil der SPÖ schon gar nicht.

Nach dem Ministerrat demonstrierten Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner jedenfalls Einigkeit: Beide bekannten sich dazu, dass man eine Notverordnung vorbereiten werde, beide sprachen allerdings auch von einer "diffizilen Sache" und gaben keinen Zeitrahmen an.