Das Budgetdefizitprüfungsverfahren der EU gegen Österreich wird im Herbst eingeleitet. Der Finanzminister beabsichtigt jedoch, 2010 die Drei-Prozent-Budgetdefizitgrenze nicht nur zu überschreiten, sondern diese Überschreitung auch noch stark zu erhöhen. Das gestattet die EU erst recht nicht.
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Österreich wird zu Steuererhöhungen gezwungen werden, und das sehr bald und sehr drastisch. Eine etwaige Aussage des Bundeskanzlers: "Keine Steuererhöhung, solange ich Bundeskanzler bin", wäre nicht unwahrscheinlich und könnte sogar wahrheitsgemäß sein - freilich nur als Aussage über des Bundeskanzlers eigenes Ablaufdatum. Steuererhöhungen sind unumgänglich, und da der Sozialproduktabfall der gegenwärtigen Rezession bestenfalls von Wirtschaftsstagnation abgelöst wird, leider auch noch bei schwacher oder gar weiter abnehmender Konjunktur.
Helmut Kramer hat in einem Vortrag vor Beamten der Finanzverwaltung eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 20 auf 25 Prozent vorgeschlagen. Das wäre meines Erachtens aus vielen Gründen die schlechteste Variante der Erhöhung einer großen Steuer. Erstens ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer besonders ungerecht, da sie vor allem die Ärmeren und kinderreiche Familien trifft, welche sich gezwungen sehen, ihr ganzes Einkommen, ja oft mehr als dieses, voll für Konsumzwecke auszugeben, während der, der sich leisten kann, viel zu sparen, relativ weniger betroffen wäre. Zweitens würde eine inländische Mehrwertsteuererhöhung besonders zu - in der EU nicht beschränkbaren - vermehrten Käufen und vor allem Urlauben im Ausland führen, die für Österreichs Wirtschaft besonders schädlich wären. Und drittens würde die Schwarzarbeit noch weiter zunehmen.
All das bedeutet viertens, dass durch eine Mehrwertsteuererhöhung besonders die ohnehin schon durch die Rezession schwer getroffenen österreichischen Unternehmer benachteiligt wären: Bei schlechter Konjunktur sind sie nicht in der Lage, Mehrwertsteuererhöhungen voll an ihre Kunden weiterzureichen, zumal nicht im Lebensmittelhandel. Fünftens könnte eine Erhöhung der Mehrwertsteuer als inflationär gedeutet werden - was sie nicht ist, da entsprechende Preissteigerungen nur auf Steuererhöhung zurückgingen. Inflationsängste aber würden die Staatsschuldenzinsen hochschrauben und dadurch die Budgetsanierung erheblich erschweren. Und sechstens ist schließlich zu fragen, ob nennenswerte Mehrwertsteuererhöhungen im Falle Österreichs, das bereits an der Obergrenze der Besteuerung liegt, EU-rechtlich überhaupt zulässig wären.
Es ist unabdingbar notwendig, durch erhöhte Steuern gegen ein ausuferndes staatliches Budgetdefizit anzukämpfen. Aber möglichst nicht in der Hauptsache durch eine Mehrwertsteuererhöhung. Sie wäre ebenso ungerecht wie wirtschaftsschädigend.
Erich W. Streissler ist Professor für Volkswirtschaftslehre, Ökonomie und Wirtschaftsgeschichte.